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Der Tod des Landeshauptmanns

Der Tod des Landeshauptmanns

Titel: Der Tod des Landeshauptmanns
Autoren: Eugen Freund
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Stelle genau ansehen, die Zoran ausgesucht hatte. Beim Kreisverkehr in Kirschentheuer bogen sie links ab, laut Karte würde sie in wenigen Minuten die Drau überqueren und dann auch gleich bei jener Haarnadelkurve ankommen, die für ihr Vorhaben besonders geeignet erschien. Auf dem Plan hatten sie gesehen, dass knapp davor ein kleiner Feldweg nach links abbog, den wollten sie nehmen, um dann dort zu parken und zu Fuß zur Kurve zu gehen. Zu ihrer Überraschung fanden sie keine Abzweigung, Slavko sah im letzten Moment, dass der Weg unter der Bundesstraße durch einen kleinen Tunnel führte. Nun war es ohnehin zu spät, sie waren bereits in der scharfen Rechtskurve angelangt, die kein Ende zu nehmen schien. Sie fuhren langsam, einige Fahrzeuge überholten sie, ohne ihnen aber große Aufmerksamkeit zu schenken. Etwa hundert Meter weiter bergauf entdeckten sie dann den Feldweg, der zum Tunnel führen musste. Sie bogen scharf rechts ab, der Schotterweg führte, wie erwartet, unter der Bundesstraße durch, kurz danach stellten sie ihren Wagen am Wiesenrand ab. Zoran hatte sicherheitshalber ein Fernglas mitgenommen, sie sollten im Zweifel lieber als Touristen wahrgenommen werden denn als Terroristen. Sehr belebt schien diese Gegend aber nicht zu sein, auch auf dem Plan war weit und breit kein Haus eingezeichnet. Sie gingen zu Fuß weiter, bis auch dieser Weg in eine Haarnadelkurve überging. An dieser Stelle bogen sie links in die Büsche und dann über eine kleine Wiese bergauf wieder Richtung Bundesstraße. Im Schutz der Bäume und Büsche verschafften sie sich einen ausgezeichneten Überblick über die „Unfallstelle“. Langsam zog die Dämmerung über das Rosental, doch die letzten Strahlen der Sonne, die hinter den Karawanken untergegangen war, gab ihnen noch so viel Licht, dass sie mit ihren Erkundungen weitermachen konnten.
    „Andrej, du gehst mit dem Walkie-Talkie da links hinauf“, Zoran zeigte mit der ausgestreckten Hand die Hauptstraße entlang, „mindestens 50 Meter, oder vielleicht sogar mehr. Slavko, du gehst mit den Kanistern zum Kurvenanfang, und wenn wir das Kommando von Andrej bekommen, dass das Auto an ihm vorbeigefahren ist, schüttest du das Zeug auf die Straße. Aber pass auf, dass du nicht selbst ausrutschst.“ Sie hatten drei Blechkanister im Kofferraum verstaut, es war damals durchaus üblich, dass Kroaten mit Reservekanistern unterwegs waren und sie in Slowenien auffüllten, wo Benzin billiger war. Erst auf der Heimreise würden sie eventuell kontrolliert, doch da wären ihre Behälter ohnehin wieder leer. Natürlich waren sie nicht hierhergekommen, ohne ihr Projekt vorher auszuprobieren, sie hatten das Ganze schon einmal auf einem abgesperrten Gelände in der Nähe von Zagreb getestet. Es war erstaunlich, wie das Testfahrzeug, nachdem es über diese Flüssigkeit gefahren war und dann scharf abbiegen musste, jedwede Traktion verloren hatte und – wie auf Spiegeleis – geradeaus in den Graben gefahren war. Jörg Haider war, das war ihnen bekannt, unabhängig ob mit Chauffeur oder ohne, immer schnell unterwegs, so würde er über die Kurve hinausschießen und im besten Fall – aus ihrer Sicht – in der Drau landen. Natürlich waren da ein paar Ungewissheiten: In den meisten Fällen benutzte der Landeshauptmann diesen Weg auf seiner Heimfahrt – doch es gab auch andere Zufahrtsstraßen ins Bärental; sie konnten das Auto übersehen, schließlich würde es Nacht sein – aber sein Volkswagen Phaeton war ein auffälliges Fahrzeug; andererseits: Die Zeit war auf ihrer Seite.
    Der nächste Tag war der 10. Oktober. An diesem Tag feiert Kärnten den Tag der Volksabstimmung zur Befreiung von Jugoslawien im Jahr 1920, Haider, davon war Zoran Mitśić überzeugt, würde an diesem Kärntner Feiertag wie jedes Jahr besonders viele Versammlungen besuchen und mit großer Sicherheit mit seinem Fahrer unterwegs sein. Also wollten sie den „Unfall“ lieber an einem weniger auffälligen Datum inszenieren, etwa am 12. oder 13. Oktober.
    Nachdem sie die Gegend, so gut es in der aufziehenden Dunkelheit möglich war, ausgekundschaftet und jenen Busch ausgesucht hatten, hinter dem sie sich verstecken konnten, fuhren sie wieder zurück in ihr Hotel. Nur mit einiger Überredungskunst gelang es ihnen, den Koch davon zu überzeugen, dass sie auch um viertel vor zehn noch ein Anrecht auf ein Nachtmahl hatten.
    Zoran hatte sich für den Samstag keinen Wecker gestellt. Als er aufwachte und nach seinem Handy griff, um
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