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Der Tod des Landeshauptmanns

Der Tod des Landeshauptmanns

Titel: Der Tod des Landeshauptmanns
Autoren: Eugen Freund
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vielen Jahren einmal den Kärntner Landeshauptmann getroffen hatte. Wie so viele junge Leute sei er sehr beeindruckt vom offenen Wesen Jörg Haiders gewesen, im Unterschied zu anderen Politikern schien er sich auch wirklich für den Gesprächspartner zu interessieren. Aus der zufälligen Bekanntschaft sei so etwas wie eine Freundschaft geworden („aber nicht das, was du glaubst!“, Stefan lächelte und zwinkerte Jasmin zu), Haider habe natürlich von seiner Tätigkeit im Heeresnachrichtenamt gewusst und auch von seinen literarischen Fähigkeiten erfahren. „Und so, es muss etwa ein Jahr vor seinem Tod gewesen sein – zu dieser Zeit hatte es schon zahlreiche Gerüchte über seltsame Drohungen ihm gegenüber gegeben –, lud er mich eines Tages zu sich ins Büro ein. Und dann hat er mich ausgefragt, was wir im HNA denn so über Geheimdienste wüssten und ob wir über Morddrohungen Bescheid wüssten. Ich konnte, nein, ich durfte ihm nichts sagen und faselte nur so allgemeines Zeugs vor mich hin über Politiker, die immer einer gewissen Gefahr ausgesetzt seien.“ Doch Haider habe nicht lockergelassen und am Ende habe er ihn gebeten, einmal so ein Szenario auszuarbeiten. So etwas mit CIA und Mossad und wie sie alle hinter ihm her seien, weil er doch eine Politik betreibe, die gerade diesen Ländern sehr zuwiderlaufe. „Ich habe ihm nichts Konkretes zugesagt, habe ihm aber irgendwie zu verstehen gegeben, dass mich das Thema schon interessieren würde.“
    „Habe ich dich richtig verstanden? Dieses Verschwörungsszenario, das ich von dir zugeschickt bekommen habe, war in Wirklichkeit Jörg Haiders Idee?“ „Ja, und nicht nur das, ich habe ihm sogar noch die ersten zwanzig Seiten zukommen lassen. Und er war – wie soll ich mich ausdrücken, aber du kennst ihn ja – er konnte so richtig euphorisch sein, und das war er dann auch. Als er verunglückte, habe ich das Ganze beiseitegelegt. Erst im vergangenen Jahr, vier Jahre später, bin ich wieder einmal darauf gestoßen und habe es fertiggeschrieben.“
    Mittlerweile hatte der Wein seine Wirkung getan. Jasmin und Stefan fühlten sich erstmals an diesem langen Tag – es musste schon zwei Uhr früh sein – wirklich müde.
    „Stefan, etwas wollte ich dich noch fragen: Dieser Text, ist das jetzt fact oder fiction?“ Sie lagen seit einigen Minuten im Bett, Seite an Seite, Jasmin hatte ihren Arm um Stefans Oberkörper gelegt. „Stefan?“ Sie stützte sich auf ihren Ellbogen und blickte ihm ins Gesicht. Seine Augen waren geschlossen. Er gab keine Antwort. Stefan war eingeschlafen.

E PILOG
    Der Learjet 40X stand aufgetankt und zum Abflug bereit am Flughafen Zagreb-Pleso. Zwei Arbeiter hatten gerade die Ladeluke geschlossen, nachdem sie dort vorher vier Kisten und zwei Koffer verstaut hatten. Letztere waren ihnen von den beiden Passagieren übergeben worden, die Kisten waren als Luftfracht deklariert. Sie waren weder durch ihr Gewicht noch durch den Aufkleber („Diplomatengepäck, nicht öffnen“) sonderlich aufgefallen. In Privatmaschinen wurde immer wieder seltsames Gepäck transportiert, ohne dass dem jemand besondere Aufmerksamkeit widmete. In der Kabine waren die vier beigen Ledersessel nur von zwei Männern besetzt. Andrej und Slavko saßen einander gegenüber, zwischen ihnen ein aufgeklapptes, glänzendes Holztischchen, auf dem zwei sorgsam zusammengefaltete Servietten lagen, ebenso Besteck und zwei weiße, mittelgroße Teller. Der Pilot bat sie durch die Sprechanlage, sich anzuschnallen, sie würden gleich starten. Doch die einzige Stewardess an Bord, die im Aussehen mit dem exklusiven Interieur leicht mithalten konnte und deren Uniform den Pastellfarben der Kabine angepasst war, brachte noch rasch Getränke an den Tisch: Die Eiswürfel in der goldgelben Flüssigkeit erzeugten bei jeder Bewegung einen hellen Glockenklang, der langsam vom anschwellenden Geräusch der beiden Honeywell-Turbinen übertönt wurde. Sie lispelte eine Entschuldigung, dass sie das Frühstück erst nach dem Start servieren könne und verzog sich wieder in das Pilotenabteil. Kurze Zeit danach heulten die Turbinen auf, die Maschine machte einen Ruck und setzte sich langsam Richtung Rollbahn in Bewegung. Der Pilot kommunizierte mit dem Tower („Ersuche um Startfreigabe für Flug RC 20 nach Vaduz via Klagenfurt“), bekam das „Go Ahead“ und gab vollen Schub voraus. Erst jetzt erkannte Slavko, dass es kein Vorteil war, beim Start mit dem Rücken zum Piloten zu sitzen. Statt in die
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