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Die Katze, die Domino spielte. Roman.

Die Katze, die Domino spielte. Roman.

Titel: Die Katze, die Domino spielte. Roman.
Autoren: Lilian Jackson Braun
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    Es war ein Wochenende im Juni – herrliches Wetter für eine Bootsfahrt. Ein kleines Kajütboot, auf dessen Achterdeck frisch der Name Doppel-Sechs gemalt war, tuckerte gemächlich über den See. Auf dem Deck standen Koffer, Kartons, eine große Bratpfanne ohne Griffe und ein kleiner Drahtkäfig, über den eine Jacke geworfen worden war.
    »Sie sind still!« schrie der Mann am Steuerrad über den Motorenlärm.
    Der Passagier, ein Mann mit einem großen Schnurrbart, rief zurück. »Das Vibrieren des Motors gefällt ihnen!«
    »Ja. Und den See riechen sie auch!«
    »Wie lange dauert die Überfahrt?«
    »Die Fähre schafft es in dreißig Minuten! Ich fahre etwas langsamer, damit sie nicht seekrank werden!«
    Der Passagier hob den Ärmel der Jacke hoch und spähte heimlich in den Käfig. »Es scheint ihnen gutzugehen!«
    Der Mann am Steuer wies auf eine dünne schwarze Linie am Horizont und verkündete laut: »Das ist unser Ziel!… Frühstücksinsel, ahoi!«
    »YAU!« ertönte ein durchdringender Bariton aus dem Korb.
    »Das ist Koko!« schrie der Passagier. »Er weiß, was ›Frühstück‹ bedeutet!«
    »M-m-MACH!« echote ein schriller Sopran.
    »Das ist Yum Yum! Sie haben beide Hunger!«
    Das Kajütboot beschleunigte die Fahrt. Es war für sie alle eine Reise in eine andere Welt.
    Die Frühstücksinsel lag ein paar Meilen vom Festland von Moose County entfernt, war jedoch auf keiner Seekarte zu finden. Kartographen im neunzehnten Jahrhundert hatten das birnenförmige Stück Land – es war am südlichen Ende breit und im Norden langgestreckt – Pear Island, Birneninsel, genannt. Die Kapitäne, die den See berühren und an den heimtückischen Felsen am Stielende der Birne Schiffe und Frachten verloren, hatten weniger druckreife Namen dafür erfunden.
    Die Südküste war freundlicher. Viele Jahre lang legten Fischer vom Festland, die in der Morgendämmerung hinausgerudert waren, um ihr Glück zu versuchen, dort am Ufer an und brutzelten sich einen Teil ihres Fangs zum Frühstück. Kein Mensch wußte genau, wann oder wie die Frühstücksinsel zu ihrem liebevollen Spitznamen gekommen war, doch es war lange vor den wirtschaftlichen Segnungen des Tourismus gewesen.
    Moose County selbst lag vierhundert Meilen nördlich vom Rest der Welt und war erst vor kurzem als Urlaubsparadies entdeckt worden; seine Beliebtheit stieg aufgrund von Mundpropaganda langsam, aber stetig an. Die Blüte der Frühstücksinsel hingegen kam ganz plötzlich – der Keim war von einem Bauunternehmer gelegt, von einer Finanzierungsgesellschaft gehegt und von landesweiter Publicity sorgsam aufgepäppelt worden.
    Zwei Tage vor der Fahrt auf der Doppel-Sechs war der Aufschwung der Frühstücksinsel Thema einer Debatte auf dem Festland, wo zwei Paare in der Old Stone Mill beim Abendessen saßen.
    »Trinken wir auf das neue Ferienzentrum auf Pear Island«, sagte Arch Riker, der Herausgeber der örtlichen Tageszeitung. »Das beste, was Moose County je passiert ist!«
    »Ich kann kaum erwarten, es zu sehen«, sagte Polly Duncan, die Leiterin der öffentlichen Bücherei von Pickax.
    Mildred Riker schlug vor: »Fahren wir vier doch einmal übers Wochenende hinüber und übernachten in einer Frühstückspension!«
    Das vierte Mitglied der Gruppe saß in brütendem Schweigen da und klopfte sich auf seinen üppigen Schnurrbart.
    »Was sagst du dazu, Qwill?« fragte Riker. »Trinkst du nicht darauf?«
    »Nein!« sagte Jim Qwilleran. »Ich finde es nicht gut, was sie aus der Frühstücksinsel gemacht haben; ich sehe keinen Grund, ihren Namen zu ändern; und ich habe kein Bedürfnis, hinzufahren!«
    »Na so was!« sagte Polly überrascht.
    »Also, wirklich!« protestierte Mildred.
    Die beiden Männer waren alte Freunde – Journalisten aus dem »Süden unten«, wie die Einwohner von Moose County die Ballungszentren der Vereinigten Staaten nannten. Jetzt konnte Riker seinen Traum verwirklichen und eine Zeitung herausgeben, und Qwilleran, der Geld geerbt hatte, führte in Pickax City (3000 Einwohner) ein angenehmes Junggesellenleben und schrieb eine Kolumne für den Moose County Dingsbums. Obwohl sein graumelierter Schnurrbart traurig nach unten hing und seine Augen unter den schweren Lidern einen melancholischen Ausdruck hatten, hatte er hier in der Mitte seines Lebens Glück und Zufriedenheit gefunden. Er ging spazieren, fuhr mit dem Fahrrad und füllte seine Lungen mit Landluft. Er lernte neue Leute kennen und stellte sich neuen Herausforderungen. Er hatte
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