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Der Teufel von Mailand

Der Teufel von Mailand

Titel: Der Teufel von Mailand
Autoren: Martin Suter
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Kabel führten in sein Inneres. Frédéric schloß sie an die Elektronik des Pakets an. Alles mit gemessenen, präzisen, eingeübten Handgriffen. Es war Malus vermißtes Handy.
    Er betrachtete sein Werk.
    Sonia hätte wissen müssen, was darauf folgte: Er würde sich reflexartig nach jemandem umsehen, der ihn dafür loben könnte.
    Es blieb ihr keine Zeit, sich zu ducken. Er schaute ihr direkt in die Augen.
    Einen Augenblick behielt er den Augenkontakt. Dann lächelte er, stand auf und ging auf die Zinnentür zu.
    Sie sah, wie er hinaustrat. Wie er stehenblieb. Wie er seine Entscheidung traf.
    Er schloß die Tür hinter sich und war nur noch von der Taille an aufwärts zu sehen. Er tauchte ab, damit sie ihn nicht an den Fenstern vorbeigehen sah.
    Frédéric hatte sich immer viel auf seinen Instinkt eingebildet. Aus dem Bauch entscheiden und bei seiner Entscheidung bleiben, das war sein Motto.
    Kroch er linksherum oder rechtsherum?
    Während ihrer ganzen Ehe hatte sich Sonia stets darauf verlassen können, daß er immer das Gegenteil von dem tat, was sie tun würde.
    Sie würde sich für rechtsherum entscheiden, folglich kroch er linksherum.
    Sie stand auf und rannte in die gleiche Richtung. So schnell sie konnte, bevor er merkte, daß sie ihm nicht in die Arme lief.
    Aber er hatte es schon gemerkt. Bevor sie die Tür erreicht hatte, kam er um die Biegung gerannt.
    Sie bekam die Türklinke zu fassen, öffnete die Tür, schlüpfte hinein und schaffte es gerade noch, sie zuzuschlagen und den Schlüssel zu drehen.
    Und wieder die gleichen Bilder: Die zerberstende Scheibe neben der Türklinke.
    Die Hand, die hereinfaßte.
    Der noch blutleere tiefe Schnitt zwischen Daumen und Zeigefinger.
    Die Hand, die nach dem Schlüssel tastete.
    Der Schnitt, der plötzlich blutete.
    Die Speichelfäden in den Mundwinkeln.
    Die drei Worte. Drei scharf geschliffene, stahlglänzende Dreiecke: Ich. Kill. Dich.
    Aber diesmal gelang es ihr, den Schlüssel abzuziehen. Sie rannte die Wendeltreppe hinunter und schloß die Tür hinter sich. Der Schlüssel steckte nun nicht mehr auf der Innenseite, wie sie es in Erinnerung hatte. Er mußte ihn auf die Außenseite gesteckt haben. Sie drehte ihn im Schloß und hastete die zweite Wendeltreppe hinunter auf den langen labyrinthischen Korridor, an dessen Ende ihr Zimmer lag.
    Auf dem Bett die gepackten Koffer, auf dem Boden die Plastiktüte mit den schmutzigen Wanderschuhen, auf dem Schreibtisch ihre Handtasche, im Papierkorb alte Zeitungen, Prospekte, eine angefangene Packung Mentholzigaretten und leere Plastik-Mineralwasserflaschen – ein Hotelzimmer kurz vor dem Ende eines angenehmen Aufenthalts.
    Sonia ging ins Bad, stützte sich mit beiden Händen auf den Rand des Waschbeckens und schaute keuchend in den Spiegel.
    Die triefenden Haare lagen wie eine Badekappe an ihrem Kopf, der Leinenanzug klebte wie ein Lappen an ihrem Körper, ihr Gesicht war verzerrt wie das von Herrn Casutt. Und die Augen: wie ein gehetztes Tier.
    Sie ging zurück ins Zimmer, nahm ihr Handy aus der Tasche und schaltete es an.
sonia paß auf er ist ausgebrochen
    Sie wählte Malus Nummer.
    Malus alte Nummer.
    Der dumpfe Knall fühlte sich glatt und vieleckig an, wie eine Kristallformation. Er war farblos und durchsichtig. Und warf einen kobaltgrünen Schatten.
    Der Rauch war von den Wolken kaum zu unterscheiden.
    Erhaben stand das Gamander da, ein getroffenes Kriegsschiff an seinem Ankerplatz. Barbara Peters’ Turm brannte. Aus dem Skelett seines Daches schlugen Flammen, und aus seinen Fenstern quoll dicker Rauch.
    Man hatte aus den bunten Schirmen der Sonnenterrasse in sicherem Abstand zur Brandstätte einen Unterstand für die Hotelbewohner gebaut. Gäste und Angestellte hatten sich Militärdecken aus Feuerwehrbeständen über die Schultern gelegt und starrten in die Flammen. Jeder bei seinen Gedanken, wie vor einem Kaminfeuer.
    Die freiwillige Feuerwehr hatte ihre einzige Anhängeleiter herbeigekarrt und bekämpfte von dort aus den Brand. Ein paar Männer standen auf den umliegenden Zinnen und Balkonen und unterstützten ihre Kollegen von dort aus mit den Spritzen, die in den Stockwerken angebracht waren. Man hörte ihre Zurufe und das Brummen der Kreiselpumpe, die aus der angeschwollenen Flümella Löschwasser förderte.
    Vanni servierte Glühwein und heißen Tee.
    Barbara Peters hatte sich beim Senatore eingehängt. Beide betrachteten das Schauspiel mit erstaunlicher Teilnahmslosigkeit. Vor allem der Senatore sah aus, als
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