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Der Teufel von Mailand

Der Teufel von Mailand

Titel: Der Teufel von Mailand
Autoren: Martin Suter
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aus besseren Kreisen und so.«
    »Woher wußtest du das?«
    »Von ihr.«
    »Barbara Peters hat mich als Wiedereinsteigerin aus besseren Kreisen angekündigt?«
    Er hatte eine Viehsperre erreicht und ging durch den engen Fußgängerdurchgang. »Vielleicht habe ich es auch nur aus ihren Bemerkungen geschlossen.«
    Der Weg war wieder breiter, und Sonia schloß zu ihm auf. »Das hast du aber gut kaschiert, daß du mich nicht mochtest.«
    Er hatte den Blick auf den Weg vor sich geheftet. »Das lernt man in unserem Beruf.«
    »Mir ist es nie ganz gelungen.«
    Manuel blieb stehen und sah sie an. »Vielleicht warst du nie gezwungen, es zu lernen.«
    »Wie meinst du das?«
    »Hübsch und etwas Geld im Rücken.«
    »So schätzt du mich ein?«
    »Zuerst.«
    »Und jetzt?«
    »Wie gesagt: Jetzt mag ich dich.«
    Ein Vorläufer der Wetterfront löschte die Sonne aus. Sonia schlug vor, bei der nächsten Abzweigung den Weg zurück ins Dorf zu nehmen.
    »Ein bißchen Regen schadet doch nichts«, wandte Manuel ein.
    »Der Regen nicht. Aber der Blitz.«
    »Auch Angst vor Blitzen.«
    »Auch vor Blitzen«, bestätigte Sonia.
    Zur Bekräftigung war im Osten ein träges Donnern zu hören.
    Val Grisch lag da wie zusammengeduckt vor dem bevorstehenden Unwetter. Weit unten bewegte sich ein kleines Landwirtschaftsfahrzeug auf einen Hof zu wie ein flüchtendes Insekt. Etwas näher, am Rand des Waldes, der zwischen ihnen und ihrem Ziel lag, stand eine Gestalt, ein Wanderer vielleicht, oder ein Bauer. Jetzt bewegte sie sich und war gleich darauf zwischen den Bäumen verschwunden.
    Das Gefälle zwang sie zu einer rascheren Gangart. »Der Abstieg war schon auf dem Schulausflug das Schlimmste«, schimpfte Manuel. »Da freute man sich den ganzen Aufstieg darauf, und dann taten einem die Knie weh, und man stieß sich die Zehen in den Schuhen blutig.«
    Irgendwo im Gewühl der Regenwolken flackerte eine Blitzsalve. Noch ließ sich der Donner viel Zeit.
    Der Weg wurde von einem Elektrozaun abgeschnitten. Er besaß einen Haken mit einem Griff. Manuel hängte ihn aus und hinter ihnen wieder ein. An einem Zaunpfahl am Wegrand hing eine Batterie, die in gleichmäßigen Abständen ein heimtückisches Ticken vernehmen ließ.
    Sonia spürte den ersten Tropfen.
    Die Fichten, über deren Wipfeln sie eben noch das Dorf erkennen konnten, standen jetzt hoch und schlank vor ihnen. Noch zwanzig, dreißig Meter, und sie hatten die beiden vordersten erreicht. Sie standen rechts und links des Weges, und ihre schweren Äste bildeten einen Torbogen, wie zum Eingang eines Märchenwaldes.
    Der Wind, den sie bisher nur gespürt hatten, war nun zu hören. Er rauschte in den Nadeln, als wollte er sie zur Eile antreiben.
    Der Wald wurde dichter. An der Böschung über ihnen stand Jungwuchs. Unter seinen grünen Krinolinen verloren sich die mageren Baumstämme im geheimnisvollen Dunkel.
    Sie gingen wortlos hintereinander, beide auf den holprigen Weg konzentriert.
    Beinahe wäre Sonia auf Manuel aufgelaufen. Er war plötzlich stehengeblieben wie ein Tier, das eine Gefahr wittert.
    Weit vorn, im dunkelgrünen Zwielicht des Waldes, stand eine Gestalt und starrte unverwandt in ihre Richtung.
    »Der wartet auf uns«, flüsterte Sonia.
    Langsam setzte sich Manuel wieder in Bewegung.
    Manuel erkannte ihn als erster. »Der Koch vom Steinbock«, sagte er und beschleunigte den Schritt.
    Sonia teilte seine Erleichterung nicht. Nur zögernd folgte sie ihm.
    Noch war der Regen unter den Fichten mehr zu hören, als zu spüren. Nur dort, wo Wind oder Kettensägen den Wald gelichtet hatten, begann das Perlgras naß zu glänzen.
    Peder Bezzola erwartete sie mit versteinerter Miene.
    »Kein guter Tag zum Wandern«, sagte Manuel zur Begrüßung. Bezzola gab keine Antwort. Breitbeinig stand er auf dem schmalen Weg. Links von ihm stieg die Böschung steil an, zu seiner Rechten fiel sie jäh und felsig ab bis zur Fortsetzung des Wanderwegs.
    Sonia stieß zu den beiden und nickte Bezzola zu. Ihren Gruß erwiderte er. Aber auch nur mit einer knappen Kopfbewegung.
    Sonia versuchte, sich an einen Fluchtweg zu erinnern, ohne sich umschauen zu müssen.
    Bezzola machte keine Anstalten, sie durchzulassen.
    »Würden Sie bitte etwas Platz machen«, sagte Manuel. »Es regnet nämlich.«
    Bezzola ignorierte ihn. Aber jetzt richtete er das Wort an Sonia. »So, so. Spazieren mit dem Teufelchen von Mailand.«
    Sonia spürte ihren Puls in der Halsschlagader. Sie wollte etwas antworten, bekam aber nur ein gequältes
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