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Morgenstadt - wie wir morgen leben

Morgenstadt - wie wir morgen leben

Titel: Morgenstadt - wie wir morgen leben
Autoren: Hans-Joerg Bullinger
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An irgendeinem Tag im Jahr 2007 war der Punkt erreicht, an dem weltweit mehr Menschen in Städten wohnten als auf dem Land. Das haben Experten der Vereinten Nationen ermittelt. Gleichzeitig sagt die Statistik: Etwa jeder zehnte Stadtbewohner lebt schon heute in einer Megacity mit mehr als 10 Millionen Einwohnern.
    1851 war London laut einer Volkszählung 1 mit 2651939 Einwohnern die größte Stadt der Welt. Gegen das heutige Tokio mit seinen schon über 36 Millionen Menschen erscheint das geradezu provinziell. Ein Drittel der japanischen Bevölkerung wohnt hier. Die Menschen in dieser Stadt erwirtschaften 31 Prozent des japanischen Bruttoinlandsprodukts, etwa so viel wie Spanien und Portugal zusammen.
    Die Städte der Welt wachsen mit atemberaubender Geschwindigkeit: Jährlich ziehen etwa 60 Millionen Menschen vom Land in die urbanen Zentren, weil sie dort bessere Lebensbedingungen erwarten. Sie hoffen auf Arbeit und bessere Bildungs- und Wohnmöglichkeiten. Metropolen bleiben auch künftig Fluchtpunkt für Aufsteiger und Habenichtse, denn in vielen Teilen der Welt wird das Leben auf dem Land zunehmend schwieriger: Die Weltmarktpreise für Agrarprodukte sinken, viele Kleinbauern fühlen sich durch Großgrundbesitzer unterdrückt und ausgebeutet, und die ländliche Infrastruktur entspricht oft nicht den Erwartungen. So scheint das Abwandern in die Großstädte häufig die einzige Option zu sein, sie sind die Lokomotiven der globalen Wirtschaft. Gleichzeitig sinkt dank guter medizinischer Versorgung die Säuglingssterblichkeit in den Zentren: Deren Einwohnerzahl wächst so auch von innen heraus. 2 Durch die Verschiebung des Stadt-Land-Gefälles zusammen mit dem Gesamtbevölkerungswachstum auf 9,2 Milliarden 3 im Jahr 2050 wird sich der Bedarf an Stadtraum in den nächsten Jahrzehnten gegenüber heute verdoppeln.
    Gerade die Distrikte, in denen sich die Neuankömmlinge ansiedeln und ein eigenes Netzwerk bilden, sollten besonders im Fokus stehen. „Wir müssen diesen Orten sehr viel mehr Aufmerksamkeit widmen“, meint Doug Sanders in seinem Buch „Arrival City“ 4 , denn sie sind nicht nur die Schauplätze potenzieller Konflikte und Gewalttaten, sondern auch die Gebiete, in denen sich der Abschied von der Armut vollzieht, in denen sich die nächste Mittelschicht herausbildet und die Träume, Bewegungen und Regierungen der nächsten Generation entstehen.“ Ein Ort, an dem sich die Zukunft unseres Globus entscheiden kann: Bühne für soziale Hoffnungen und Enttäuschungen ebenso wie Experimentierfeld für Neuerungen, Chance für unkonventionelle Lösungen in vielen Bereichen.
STADTENTWICKLUNG DARF MAN NICHT DEM ZUFALL ÜBERLASSEN
    Das Bild der Stadt hat sich gewandelt, seit Mitte des 19. Jahrhunderts in Deutschland die Urbanisierung begann: Was vorher noch ein durch eine Stadtmauer eng umgrenztes Gemeinwesen war – oft sogar mit eigenen Zollschranken – wuchs nun darüber hinaus und gewann immer mehr an Diversität. Zunächst vielleicht nur ein Marktort, also eine Schaltstelle für den regionalen Handel, wurde die Stadt unaufhaltsam zum Kristallisationspunkt für die unterschiedlichsten Funktionen: Produzierendes Gewerbe und Handel, neu entstehende Industrie, Militär, religiöse Versammlungsorte, aufkommender Massenverkehr prägten nach und nach die Zentren. Je mehr Menschen sich hier konzentrierten, desto mehr Infrastruktur wurde gebraucht, von der Wasserversorgung bis hin zur Unterhaltung für die Massen. Das bedeutete auch, dass sich die politischen Verhältnisse auf kommunaler Ebene weiter entwickeln mussten, zumal sich die soziale Schichtung der Stadtbürger von der auf dem Land unterscheidet: Sie ist weitaus stärker ausgeprägt und kann sich in den einzelnen Wohnquartieren deutlich unterscheiden – nicht nur in den ehemaligen Kolonialstädten Asiens und Afrikas, sondern auch in den modernen Metropolen. Keiner kennt mehr den anderen, die Anonymität nimmt zu; damit gehen nicht nur Traditionen, sondern auch viele soziale Kontrollmechanismen verloren.
    Die Stadt lebt vom Aufbruchsgeist ihrer neu Zugezogenen, von ihren Bedürfnissen und Phantasien. Sie bringen frische kulturelle Impulse, oft auch innovatives technisches Know-how mit. Betrachtet man die Entwicklung der Städte, wird die Veränderung deutlich: Wo früher Kirchtürme und Rathäuser die Stadt dominierten, fallen heute Hochhäuser, Bahnhöfe, Bankpaläste, Kaufhäuser, Industrieanlagen und Fernsehtürme ins Auge. Neben der Infrastruktur wird
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