Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schrei des Eisvogels

Der Schrei des Eisvogels

Titel: Der Schrei des Eisvogels
Autoren: Reginald Hill
Vom Netzwerk:
verdient.
    Da ist Larry Lillingstone, der junge Pfarrer – hier hast du was für deine Predigt! Hoppla. Kee Scudamore steht, ob aus Absicht oder auf der Flucht, im Weg. Keine Sorge, hier gibt’s einen für Sie in den Talar, Herr Pfarrer! Wen haben wir denn da? Bauer George Creed und seine bibelfeste Schwester, deren Gebäck allemal überzeugender ist als ihr frommes Gewäsch – das ist für dich! Und die herrschsüchtige Girlie Guillemard ist als nächstes dran, ihre Zähne beißen geradewegs den Stiel ihrer Pfeife durch, während ihr Bauch sich rot färbt. Jetzt liegt der Geruch von Blut heiß in der Abendluft und noch heißer im Kopf des Berserkers, der nunmehr in blanker, unaussprechlicher Wut auf den Tisch springt. Aus nächster Nähe feuert er auf klein Fran Hardings Cello, hinter dem sie vergeblich Schutz gesucht hat. Dann dreht er sich zum Squire um. Ihre Blicke treffen sich. »Die ist für deine Ballade, Squire«, sagt der Berserker. Und lacht, als der Schuss dem alten Mann den Liedtext in die Brust zurücktreibt, wo er, wie eine Proklamation an einem geborstenen Baum, rötlich hängen bleibt.
    Endlich wendet sich der Berserker der Menge zu. Oder besser, dem wilden Haufen, denn jetzt sind sie alle auf dem Rückzug. Außer dreien. Die heilige Dreifaltigkeit! Die drei Clowns! Der Gute, der Schlechte und der Hässliche!
    Er kann sich nicht an ihre Namen erinnern. Egal. Man gibt Bullen keine Namen, jedenfalls nicht, wenn man vorhat, sie zu töten.
    Sie kommen langsam auf ihn zu. Er schaut hinab und bereut die Schüsse, die er an nichtmenschliche Ziele vergeudet hat, denn er sieht, dass er nur einen Schuss übrig hat.
    Egal. Einer genügt, um seinen Standpunkt klarzumachen.
    Aber welchen?
    Den Guten, den Schlechten oder den Hässlichen?
    Er trifft eine Entscheidung.
    Er hebt sein Gewehr.
    Und schießt.

Zwei
    »Ich will gar nicht, dass die Menschen besonders nett sind, denn das enthebt mich der Mühe, sie allzusehr zu mögen.«
    Z wei Tage vor den eben beschriebenen Ereignissen, an einem kalten Spätnachmittag im März, an dem ein übermütiger Wind den Himmel leer gefegt hatte, war Enscombes Frieden durch die Ankunft von drei Motorrädern und einem Landrover weniger drastisch gestört worden.
    An den Seiten des Landrovers waren knallrot die Worte GUNG HO ! und darüber das Bild eines herabstoßenden Raubvogels angebracht. Dieselben Logos befanden sich auf den weißen Helmen und blassblauen Lederanzügen der Fahrer und Beifahrer der ersten beiden Motorräder. Es waren Mitglieder der Harley Davidson Fatboys, die, ebenso wie der Landrover, das Kopfsteinpflaster der schmalen Auffahrt zum Wayside Café hinaufholperten und mit einem finalen Aufheulen der Motoren zum Stehen kamen.
    Der Dritte, der keinen Beifahrer hatte, brachte seine alte Triumph Thunderbird vor dem angrenzenden Tell-Tale-Buchladen (Raritäten & Antiquarisches: Inh. Dr. phil. E. Digweed) etwas gesitteter zum Stehen. Sein Helm und seine Lederkluft waren, außer einem Stern aus Silberbeschlägen an der Brust, gänzlich in stumpfem Schwarz gehalten.
    Das erste Harley-Davidson-Gespann hatte die Helme abgesetzt, unter denen einmal ein Flor schwarzes Haar zum Vorschein kam (ein Mann) und, das andere Mal, eine Fülle silbrig glänzender Löckchen (eine Frau), die sie über die Schultern herabschüttelte, während sie die Arme streckte und sagte: »Mach mir den Reißverschluss auf, Darling. Ich muss wahnsinnig dringend.«
    In diesem Moment öffnete sich die Tür des Cafés, und eine stattliche, gutaussehende Frau in einer blauen Karoschürze erschien auf der Bildfläche. Sie musterte die Neuankömmlinge von oben bis unten und sagte: »Keine Hippies. Keine Motorradfahrer. Im Namen des Herrn.«
    Die Gelockte gab ein ungläubiges, kreischendes Lachen von sich, und ihr Begleiter sagte: »Und was hat der Herr gegen Motorradfahrer?«
    »Gott hat den Menschen aufrecht gemacht; aber sie suchen viele Künste«, erwiderte die Frau in vollkommen nüchternem Ton.
    Die zweite Beifahrerin hatte ebenfalls ihren Helm abgenommen, unter dem ein Nofretete-Schädel zum Vorschein kam, dessen kurz geschorenes Haar passenderweise in einem Billardtischgrün gefärbt war. Sie zündete sich eine Zigarette an und sagte: »O Gott!« Die Cafébesitzerin schnaubte wütend und machte einen Schritt nach vorn, um entweder mit dem dritten Gebot oder einem linken Haken in Grünköpfchens Reichweite zu kommen, doch bevor sie dies deutlich machen konnte, streifte sich der vierte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher