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Hurra, wir leben noch

Hurra, wir leben noch

Titel: Hurra, wir leben noch
Autoren: Johannes Mario Simmel
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Die großen Zeiten, die heldischen Zeiten brauchen große, heldische Menschen. Das haben uns die Lehrer in der Schule erzählt, und ich mußte immer denken: Was für ein Unfug. Wenn Helden schon überhaupt nötig sind, dann doch bitte für kleine, schlimme und schwierige Zeiten!
    Die letzten dreißig Jahre zum Beispiel waren doch für uns alle wahrhaftig kein Honiglecken – oder? Denken wir nur an den Beginn. Und an heute.
    Da gibt es nun einen Mann, der heißt natürlich nicht Jakob Formann, wie er in diesem Buch heißt, sondern ganz anders – und das ist so einer, wie ich ihn mir immer gewünscht habe: ein Held für schlechtes Wetter!
    Jakob freilich würde bloß verlegen werden, wenn ihm das jemand mitten ins Gesicht sagte. Denn er findet sich alles andere als heldisch.
    Ich habe diesen Jakob Formann, der in Wirklichkeit ganz anders heißt, innig in mein Herz geschlossen. Und darum, und zum Trost und zur Belehrung von uns allen, habe ich seine Geschichte aufgeschrieben.
    J. M. S.
    Für meine Helena
    Wir haben den größten Krieg aller Zeiten angefangen und ihn glorreich verloren. Besonders glorreich verloren haben ihn jene, die ihn gewannen. Danach ging es uns eine Zeitlang miserabel. Danach ging es uns eine Zeitlang derart gut, daß die Welt Bauklötze staunte. Das nannte man das »Wirtschaftswunder«. Dann war diese Periode zu Ende, und es begann uns wieder wunderbar zu gehen. Ohne Zweifel wird alles bald wieder okay sein.
    Warum das so ist, hat mir keiner der vielen Experten, die ich befragte, besser erklären können als Kurt Tucholsky, den ich zwar leider nicht mehr befragen konnte, der aber 1930 folgendes geschrieben hat:
    DER KREISLAUF DER NATUR
     
    Mein Vater hat einen Cousin, dessen Stiefvater ist mit seinem Großzwilling verheiratet. Und dem sein Onkel pflegt zu sagen: »Mein liebes Kind, da sind nun also die Würmer. Die Würmer werden von den Fröschen gefressen; die Frösche von den Störchen; die Störche bringen die Kinder; und die Kinder haben Würmer. So schließt sich der Kreislauf der Natur.«

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Prolog
    Die glücklichen Zeiten der Menschheit sind die leeren Blätter im Buch der Geschichte.
     
    LEOPOLD VON RANKE (1795–1886)

1
    Und mit der Wildheit eines Stiers nach vorn.
    Und mit aller Wollust dieser Erde wieder zurück.
    Nach vorn. Zurück. Ach, welche Wonne, ach, welches Glück. Blödsinniger Werbespruch: ›Nur fliegen ist schöner‹. Das Schönste auf der Welt war und ist und wird zu allen Zeiten bleiben: das da! Und vor. Und zurück. Gibt natürlich viele unter uns, die dabei mächtig schwitzen, dachte er. Richtig tropfen. Den Süßen ins Gesicht. Zwischen die Brüste. Auf den Bauch. Haben mir Frauen erzählt.
    Und wieder nach unten. Und wieder –
langsam!
 – nach oben. Ich, dachte er, tropfe niemals. Glückspilz, der ich bin. Heiß wird mir natürlich. Ist ja auch eine Anstrengung. Komisch, so heiß wie diesmal ist mir noch nie gewesen. Man muß schon sagen: gottverflucht heiß.
    Und stellte mit blankem Entsetzen fest: Über seine Nase rann ein Schweißtropfen! Fiel abwärts.
    Drip!
    Und ein zweiter.
    Drip!!
    Entsetzlich.
    Drip!!!
    Ein dritter.
    Grauenvoll, dachte er. Bin ich heute so aufgeregt? Oder werde ich alt? Oder was ist sonst los? Ich halte ja immer die Augen geschlossen dabei. Konzentriert man sich besser. Aber jetzt will ich doch eines riskieren. (Ein Auge.) Er riskierte eines. Danach ward ihm von einem Sekundenbruchteil zum anderen nicht mehr siedend heiß, sondern eisig kalt.
    Ach du liebe Güte!
    Kein Wunder, daß ich so schwitze.
    Unter mir brennt ein Feuerchen. Wenn der Tank von einem Rolls-Royce, Marke ›Silver Shadow‹, explodiert, und wenn dabei das Benzin in Brand gerät – eijeijei! Ich habe einen Rolls-Royce, Marke ›Silver Shadow‹. Ich habe noch vier andere Autos. Aber mit dem ›Silver Shadow‹ bin ich heute nacht gefahren.
    Und vor. Und zurück. Und vor. Und …
    Wieso eigentlich, bitte recht herzlich. Riskieren wir mal zwei Augen. Alle, die wir haben.
    Ogottogottogottogott!
    Er begann plötzlich zu bibbern wie Sülze. Wie sehr viel Sülze. Nur nicht runterfallen, dachte er verzweifelt, nur nicht runterfallen, mitten hinein in das hübsche Feuerchen. Er lag, wie er jetzt feststellte, in der Gabelung zweier Äste eines großen Baumes. Der Baum stand direkt am Abhang einer Schlucht. Links von ihm befand sich die Brücke einer Autobahn mit durchbrochenem Geländer.
    Durchbrochenem …
    Und jetzt, schlagartig, erinnerte er sich.
    Jetzt
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