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Dunkle Diamanten (Shades of Brilliance) (German Edition)

Dunkle Diamanten (Shades of Brilliance) (German Edition)

Titel: Dunkle Diamanten (Shades of Brilliance) (German Edition)
Autoren: E.L. Jannings
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Sidestrand
     
    Dr. Stephen Stewart, der Entwicklungsleiter unseres Diamantlabors, bittet Sie am 14. September um 16.00 Uhr zu einem Jobinterview in unser Forschungszentrum nach Hoboken. Bitte bestätigen Sie mir diesen Termin per E-mail.
    Mit freundlichen Grüßen
    James Cohen, Personalvorstand
     
    Heute war Dienstag, der 13. September, nur noch 28 Stunden. Tom drückte auf „Antworten”
     
    *****
     
    Tom war einer der wenigen Menschen, denen es gelungen war, entgegen allen Ratschlägen das zu studieren, wofür sein Verstand geschaffen war und woran sein Herz hing, die Mineralogie. Neben seiner natürlichen Begabung hatte er das auch dem Umstand zu verdanken, dass es eigentlich niemand so richtig interessierte. Seine Mutter, eine Buchhalterin der US Army, sah ihren Sohn mit Stolz als den ersten Akademiker der Familie. Was das Studienfach betraf, war sie nicht weiter wählerisch. Ein Lehrer oder Angestellter bei einem Museum konnte eine Familie allemal ernähren, und damit kamen von ihrer Seite keinerlei Einwände. Was Mrs. Keller übersah, war, dass ihr Sohn niemals im Sinn hatte, Mineralogie zu unterrichten oder in einem Museum Kristallstufen zu katalogisieren. So lange er zurückdenken konnte, hatte ihn nie etwas anderes wirklich interessiert als die Mineralogie. Er fühlte sich schon in der High School beim Experimentieren und Messen im Physik- und Chemiesaal so entspannt wie seine Altersgenossen mit einem Sixpack Corona an einem Sommertag am Strand von Coney Island. Auch die mathematische Darstellung der gewonnenen Erkenntnisse – kleine, virtuose Schlussakkorde auf seinen naturwissenschaftlichen Streifzügen – war für Tom eine lustvolle Beschäftigung und barg nicht den Hauch der Bedrohung, die für seine Klassenkameraden damit verbunden war. Das Quantitative, mathematisch Ausdrückbare war sein Element. Aber Tom war auch Ästhet und das mit einer gefährlichen romantischen Komponente. Für einen Habenichts eine komplizierte Ausgangssituation.
    Es war diese widersprüchliche Mischung von Charaktereigenschaften, die ihn geradewegs in die Welt der Mineralien und Kristalle führte. Ihn faszinierte die komplexe Schönheit der Mineralogie: Ineinander gestellte Punktgitter gleichartiger Atome bilden die Symmetrie des Kristallgitters. Dieser geniale Systembaukasten der Natur schafft, je nach chemischer Zusammensetzung, unter Hitze und Druck Kristalle und Stufen von geometrischer Reinheit, schillernden Farben und den aufregendsten physikalischen Eigenschaften. Die Tatsache, dass sehr viele dieser Mineralien in entlegenen und gefährlichen Gegenden der Erde gefunden werden, steigerte ihren Reiz in Toms Augen ungemein. Sein Pech war, dass er zu spät geboren war. Die Grundlagen seiner Wissenschaft schienen erforscht, die Zeit der Entdeckungen vorbei. Während die Personalchefs Jagd auf Betriebswirte machten, die die schönsten PowerPoint Präsentationen fabrizieren konnten, und begnadete Mathematiker in den Stellwandzellen von Großraumbüros nichts als Softwareprogramme, Versicherungskonzepte und neue Finanzderivate erdachten, waren Toms Karriereaussichten im digitalen, postindustriellen Zeitalter düster. Deshalb verdiente er seinen Lebensunterhalt beim New Yorker Party Service Stardust. So hatte er sein Studium finanziert, und nun, als er sein Examen in der Tasche hatte, sah es so aus, als ob das Kellnern auch weiterhin seine wichtigste Einkommensquelle bleiben sollte. Das kleine Gehalt, das er als Assistent eines Professors an der physikalischen Fakultät der Universität bekam, reichte weder zum Leben noch zum Sterben, aber wenigstens konnte er als Knecht des Professors promovieren. Jobangebote kannte er nur aus den Erzählungen von MBAs und Juristen. In der Zwischenzeit war er ein hoch geschätzter Mitarbeiter von Stardust Catering geworden. So wertvoll, dass der Besitzer, Mr. Hammond aus Brooklyn, ihm bereits mehrere Male das Angebot einer festen Anstellung als Event Manager gemacht hatte. Tom fühlte sich geehrt, lehnte aber jedes Mal höflich ab. Mr. Hammond schätzte Toms Zuverlässigkeit, die Gründlichkeit, mit der er die profanen Jobs in diesem Miniatur-Showgeschäft verrichtete, und nicht zuletzt seinen Charme, gepaart mit gutem Aussehen, mit dem er auch die stacheligsten Fossilien aus Mr. Hammonds Kundschaft weichspülte.
    Mr. Hammond hielt sich für einen ausgesprochenen Menschenkenner und führte die Eigenschaften seines Aushilfskellners auf dessen Erbanlagen zurück. Der Junge hatte
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