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Hurra, wir leben noch

Hurra, wir leben noch

Titel: Hurra, wir leben noch
Autoren: Johannes Mario Simmel
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und dachte: In Österreich bleibt einem auch nichts erspart!
    Und so wurde er denn umarmt und auf die rechte und auf die linke Wange geküßt.
    (Genauso, wie ich meine Wahlspenden verteile, dachte er.)
    Am Stamme angelangt!
    Nun muß ich springen, runter in den Schnee. Jetzt werden wir gleich sehen, ob es Dich gibt, lieber Gott. Wenn es Dich nicht gibt, sause ich nach dem Sprung über den Steilhang ins Tal. Wenn es Dich gibt, bleibe ich oben.
    Du kannst es Dir aussuchen, dachte Jakob und sprang.
    Er blieb oben.
    Längere Zeit konnte er nur liegen. Er keuchte. Er war schweißüberströmt, total erledigt. Seine Hände zitterten wie die eines alten Süffels. Ihm wurde wieder übel, mächtig übel. Alles kreiste um ihn. Vorsichtshalber legte er beide Arme um den Baumstamm und preßte eine Wange an die eisige Rinde. Also gibt es Dich, Gott. Gott sei Dank, dachte er. Das Leuchtzifferblatt seiner Uhr zeigte 6 Uhr 13.

4
    Seine Armbanduhr hatte 4 Uhr 21 gezeigt, als Herr Walter Horvath zu ihm sagte: »Ich bitt’ Sie um alles in der Welt, Herr Formann, tun S’ das nicht!« Und als Herr Alexander Fleischer hinzufügte: »Das wär’ doch glatter Selbstmord, wär’ das, Herr Formann!«
    Die Herren Fleischer und Horvath waren (und sind noch immer) die Nachtportiers des Hotels IMPERIAL .
    Jakob, im Frack, eine weiße Nelke im Knopfloch, erwiderte freundlich, aber bestimmt: »Ich brauch’ meinen Rolls!« Er stieß dezent auf und verspürte den würzigen Geschmack der hervorragenden Gulaschsuppe, die er mit seinen Gästen nach Verlassen des Opernballs im Stadtpalais der Gräfin Vera Czerny-Wiskowitsch zu sich genommen hatte. Das Pilsner Urquell, das er dazu durstig getrunken hatte, erhöhte seinen Alkoholspiegel erheblich. »Lassen Sie den Rolls aus der Garage holen«, sagte Jakob und fügte mit gewinnendem Lächeln hinzu: »Bitte schön!« Jakob Formann war, wenn überhaupt, liebenswert betrunken; niemals stänkerte er, niemals suchte er Streit.
    Außer den beiden Nachtportiers und ihm befanden sich noch drei Putzfrauen in der Hotelhalle. Jakobs Gäste hatten sich bereits auf ihre Appartements zurückgezogen.
    »Bei dem Nebel und dem Schnee und dem Glatteis«, sagte Herr Fleischer nun besorgt. »Ein Wahnsinn ist das, Herr Formann!«
    »Gar kein Wahnsinn! Ich muß um neun in München sein! Wichtige Vorstandssitzung um zehn!« Alles war genau geplant, es hätte prima geklappt, wäre nicht der verfluchte Nebel gekommen.
    Daß der verfluchte Nebel gekommen war und die Flughäfen von Wien und München geschlossen werden mußten, hatte Jakobs Chefpilot ihm telefonisch mitgeteilt, als er noch bei der gräflichen Gulaschsuppe saß. Fliegen fiel aus.
    »Nehmen Sie doch wenigstens einen von Ihren Chauffeuren«, bat Herr Horvath. »Der soll Sie fahren, wenn es denn schon sein muß!«
    »Herr Horvath, für was halten Sie mich? Für einen dreckigen kapitalistischen Ausbeuter? Meine Chauffeure haben die ganze Nacht aufbleiben müssen, um uns vom IMPERIAL in die Oper zu bringen und von der Oper zur Gräfin und von der Gräfin zurück ins IMPERIAL !«
    »Sie waren doch auch die ganze Nacht auf, Herr Formann!«
    »Aber zu meinem Vergnügen, Herr Fleischer!«
    »Herr Formann, sein S’ doch vernünftig! Sie können nicht selber fahren! Sie sind übermüdet! Sie sind … sind …«
    »Besoffen, meinen Sie!«
    »Ich würd’ mir nie erlauben …«
    »Besoffen fahr’ ich am besten! Also los, los, los, meine Herren, Beeilung, den Rolls, bitte! Ich habe nicht einmal mehr Zeit, mich umzuziehen. Das tu’ ich dann in meiner Wohnung in München!«
    Herr Fleischer und Herr Horvath sahen einander an.
    Na ja, sagte der Blick.

5
    Na ja, und jetzt sitzt unser Freund am westlichen Steilhang des Tals der Mangfall, total erledigt, zu Tode erschöpft, in weißer Finsternis. Das ›Große Silberne Ehrenabzeichen‹ wollte sich gerade in seine Kehle bohren. Er schlägt danach. Die Armbanduhr zeigt 6 Uhr 13.
    Um 6 Uhr 13 am 26. Februar 1965 – und schon geraume Zeit davor – nannte Jakob Formann dies sein eigen: riesige Werke zur Erzeugung von Plastik-Produkten jeglicher Art; neun Fabriken zur Herstellung von Fertighäusern; eine Hochseeflotte, modernste Fahrgast-Motorschiffe, Frachter, Tanker; ein Großklinikum, eine große Illustrierte, ein Anlageberatungs-Büro (mit zahlreichen Außenstellen) für Projekte in Zonenrandgebieten und West-Berlin; ein internationales Reiseunternehmen (Züge, Busse, Schiffe, Flugzeuge – was man halt so braucht); ein mit
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