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Hurra, wir leben noch

Hurra, wir leben noch

Titel: Hurra, wir leben noch
Autoren: Johannes Mario Simmel
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weiß ich wieder alles! Ich bin auf der verschneiten, vereisten Bahn der vereisten, verschneiten Brücke ins Schleudern geraten. Bei einer Geschwindigkeit von hundertzwanzig Stundenkilometern. Und mit einem Blutalkoholspiegel von ohne jeden Zweifel über zwei Promille. Auf und nieder. Nieder und auf. Aber jetzt macht mir das überhaupt keinen Spaß mehr. Sondern sozusagen im Gegenteil.
    Das da, zu meiner Linken, ist eine Brücke. Muß sie sein. Ich erinnere mich, daß ich vor der Brücke ein gelbes Schild mit der Aufschrift WEYARN gesehen habe. Um Gottes willen, das ist ja die Mangfallbrücke! Das Tal da unten, in dem mein Rolls-Royce brennt, schätze ich auf gut und gerne siebzig Meter Tiefe, und ich bin ein hervorragender Schätzer. Und das Vor und Zurück, das mich so entzückt hat vor fünf Minuten noch, kommt vom Vor und Zurück der Äste, in die ich geflogen bin. Offenbar aus dem Rolls geschleudert, als der das Gitter durchbrach. Massel muß der Mensch haben.
    Hm.
    Feuerchen … Feuerchen …
    Mit einem hübschen großen Feuerchen hat doch alles angefangen vor vielen, vielen Jahren. Wo war dieses andere Feuerchen? Warum brannte es?
    Er grübelte.
    Es kam nicht das geringste dabei heraus.
    Infolgedessen fing er an zu beten.
    Lieber Gott, ich flehe Dich an, wenn es Dich gibt, errette mich! Bitte! Ich will dann auch an Dich glauben, und ich will allen Menschen sagen, daß es Dich gibt und daß sie an Dich glauben müssen, nur laß mich jetzt mit dem Leben davonkommen. Du hast es schon oft getan, aber so brenzlig war es noch nie, Himmelarsch und – verzeih, lieber Gott, verzeih! Laß die Äste nicht abbrechen. Laß mich nicht hinunter in die Flammen meines ›Silver Shadow‹ fallen. Ich trete auch wieder in die Kirche ein. Ich wäre ja nie ausgetreten, wenn die Kirchensteuer nicht so irrsinnig hoch – hopps, Herrjeses, um Christi willen, jetzt wäre ich fast abgerutscht! Wegen eines sündhaften Gedankens. Meinetwegen sollen sie die Kirchensteuer doppelt so hoch ansetzen, die Geistlichen Herren. Dreimal so hoch! Nur laß mich von dem Baum da runter und in Sicherheit kommen, Vater im Himmel, Du!
    Er machte eine kleine Bewegung.
    Sogleich knirschten sämtliche Äste, die der Baum besaß. Der Baum selber knirschte auch. Ojojojoj. So geht das nicht. Ich muß zurückrobben. Wie ich in Rußland vorgerobbt bin in diesem Dorf, wie hieß es gleich? Lyubcha hieß es, Donnerwetter, was für ein Gedächtnis ich habe, vorgerobbt mit drei Hohlhaftladungen. Ich bin ein sportgestählter Mensch. Immer gewesen. Ein Stalinpanzer und zwei T 34 sind hochgegangen. Aber keinem Menschen ist ein einziges Haar gekrümmt worden! Weder den russischen Soldaten noch mir. Denn ich habe in einer Scheune gelegen und gewartet, bis sich alle Herren Rotarmisten zur Ruhe begeben hatten. Und ich habe die Panzer auch nicht zum Spaß kaputtgemacht, Du weißt, lieber Gott, was so ein Stalin oder so ein T 34 kostet, wieviel Arbeit darin steckt. Ich habe es einfach tun müssen, weil die verfluchten Hunde von dieser ›Alarmkompanie‹, in die sie mich strafhalber gesteckt haben, nachdem ich die Verlobte jenes Ritterkreuzträgers aufs Kreuz gelegt … Lieber Gott, ich bin besoffen!
    Heilige Jungfrau Maria, jetzt ist da unten auch noch der Reservetank explodiert. Schon zum zweitenmal, daß ich mit einem Rolls-Royce solchen Ärger habe. Das erstemal, in Neumexiko, da ist mir einer plötzlich stehengeblieben. Einfach stehen! Die Benzinpumpe total im – verzeih, verzeih, lieber Gott! Da habe ich aus dem nächsten Kaff nach London telegrafiert an Rolls-Royce, daß der Wagen reparaturbedürftig ist. Und die haben zurücktelegrafiert: ›rolls royce niemals reparaturbedürftig stop mechaniker kommt mit nächster maschine bea.‹
    So ist es gut! Immer schön weiter zurückrobben! Zwanzig Zentimeter habe ich schon geschafft. Höchstens drei Meter habe ich noch.
    In der Tiefe, sehr klein, sehe ich jetzt Menschen auf den Steilhängen herumklettern, Männlein, Weiblein. Höre, sehr undeutlich, ihre Stimmen …
    »Der wo in dem Schlitten gsessn is, den gibt’s nimmer, den hat’s zrissen!«
    »Nacha müssat aba doch wenigstens der Kopf und die Haxn und ois andere da rumkugeln! I find aba nix!«
    »Natürli war er bsoffn! Gschieht eam ganz recht! Bsoffne Sau.«
    »Zum erstenmal seit sechs Wocha hob i wieda richtig gschlaffa! Und da muaß si der Depp darenna! Die glaubn aa, sie kenna si ois erlaubn, de Kapitalisten, de dreckatn!«
    Ermutigend, solch Stimmchen zu
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