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Der Schrei des Eisvogels

Der Schrei des Eisvogels

Titel: Der Schrei des Eisvogels
Autoren: Reginald Hill
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Motorradfahrer, der mit den drei jungen Männern aus dem Landrover geredet hatte, schwungvoll seinen Helm ab und sagte: »Dora, meine Liebe, ich bin’s, Guy. Und ich habe diese guten Leute, obwohl wir fast am Ziel sind, dazu überreden können, hier anzuhalten, weil ich ihnen versprochen habe, sie würden den besten Apfelkuchen diesseits des Paradieses bekommen.«
    Er war in den späten Zwanzigern, mit lockigem, braunem Haar, mit Augen, die auf Kommando zwinkerten, und einem charmanten Lächeln, das die selbstgefällige Erfolgsgewissheit nicht ganz verbergen konnte. Seine Stimme strotzte vor Aufrichtigkeit und jener Umkehrung von Pygmalion-Vokalen, von der sich Eton-Absolventen mehr Ansehen beim gemeinen Fußvolk erhoffen. Er ging auf die Cafébesitzerin zu, wie um sie an sich zu drücken, doch die verschränkte die Arme in einer ablehnenden Geste, die jede Vertraulichkeit zurückwies, und sagte: »Tut mir leid, Master Guy. Die gleichen Vorschriften ohne Ansehen der Person, alles andere wäre Verhöhnung des Gesetzes.«
    Sekundenlang sah es so aus, als wolle der Charme des Motorradfahrers in Missmut umschlagen, aber die Vernunft gewann die Oberhand, und er sagte: »Schon gut, Dora, Sie schneiden sich ins eigene Fleisch. Kommt, Kinder. Die gute Nachricht ist, dass es nur noch ein paar hundert Meter bis zur Old Hall sind. Die schlechte Nachricht ist, dass ihr mit dem Marmorkuchen von Cousine Girlie vorlieb nehmen müsst, der seinen Namen zu Recht trägt. Ciao, Dorissima! Avanti!«
    Das Männertrio stieg wieder in den Landrover, das gemischte Quartett setzte die geschlechtsneutralisierenden Helme auf, während der Motorradfahrer, der alleine gekommen und der dem Geschehen mit stillem Interesse gefolgt war, jetzt den seinen abnahm. Links hinter ihm sagte eine Stimme mit nasalem Upperclass-Akzent: »Na so was! Sie da!«
    Langsam wandte der Fahrer das Gesicht, das so viele Furchen hatte wie eine eigens erbaute gotische Ruine.
    In der Tür zum Buchladen stand ein großer, schlanker Mann mit aristokratischen, scharf geschnittenen Zügen unter einem silbergrauen Haarschopf und ebensolchen Augenbrauen, die vor Überraschung hochschnellten, als er den Fremden von vorne zu sehen bekam, und sich dann zur Unterstreichung des süffisanten Lächelns wieder senkten, bevor er sagte: »Sie sind, wie ich vermute, kein Kunde?«
    »Nicht von Büchern, wenn Sie das meinen«, sagte der Fahrer höflich. »Eher von einer Tasse Tee …«
    »Dachte ich mir«, unterbrach ihn der Buchhändler. »Da Sie ganz offenkundig des Lesens nicht ausreichend mächtig sind, um dieses Schild zu entziffern.«
    Das Schild, auf das er deutete, befand sich an der Hauswand unterhalb des Fensters. In einer stark verkleinerten Form der eleganten, kursiven Lettern, in denen darüber der Name des Ladens stand, befand sich dort der Hinweis KUNDENPARKPLATZ .
    Man hätte durchaus argumentieren können, dass man bei einer mahnenden Botschaft der Klarheit gegenüber der Ästhetik den Vorzug geben sollte. Aber der Fahrer sagte lediglich: »Ja, sicher, ich hätte vor dem Café geparkt, nur war da kein Platz …«
    »Ach, tatsächlich? Ich nehme an, Sie würden aus demselben Grund von mir erwarten, dass ich Ihnen den Tee in meiner Wohnung serviere, wenn das Café geschlossen hätte? Davon abgesehen, scheint jetzt jede Menge Platz zu sein …«
    Das stimmte. Der abgeblitzte Konvoi brauste in einem Crescendo aufheulender Motoren und in einen Abgasnebel gehüllt davon.
    »Tut mir leid«, sagte der Zurückgebliebene und rollte sein Fahrzeug die paar Meter weiter zur benachbarten Auffahrt.
    Der beschürzte Drachen rührte sich nicht vom Fleck.
    »Ihre Freunde sind zur Hall hinübergefahren, Gott bewahre sie«, sagte sie.
    »Amen, aber ich gehöre nicht dazu«, sagte der einsame Fahrer.
    »Wer Pech anfasst, besudelt sich«, sagte die Frau. »Keine Motorradfahrer. Keine Hippies. Nicht einmal, wenn sie alt genug sind, um es eigentlich besser zu wissen.«
    Der Fahrer sah sich langsam, wie hilfesuchend um. Der Konvoi war bereits hinter dem Hügel mit der Kirche verschwunden. Ein Radfahrer erschien am unteren Ende der High Street und fuhr schnell und schweigend vorbei. Es war ein bleichgesichtiger junger Mann in Feldmütze und Kampfanzug. Das Rad hatte Satteltaschen, und am Rahmen war ein Gewehr befestigt. Er hätte ein Jugendlicher im Jahr 1914 sein können, der ein falsches Alter angab, um in ein Fahrradbataillon aufgenommen zu werden. Doch so schmächtig er auch gebaut war, fuhr
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