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Der Schatten von Thot

Der Schatten von Thot

Titel: Der Schatten von Thot
Autoren: Michael Peinkofer
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wenigen, die ihm geblieben waren – waren bereits aufgesessen. Auch Sarah bestieg das ihr zugedachte Dromedar, dann setzte sich die kleine Karawane in Bewegung, geradewegs in Richtung der aufgehenden Sonne.
    Sarah Kincaid wandte sich nicht noch einmal um. Dass Kamal aus dem Zelt trat und ihr nachwinkte, bis die Reiter am Horizont zu winzigen Punkten geschrumpft waren, bemerkte sie nicht mehr.

 
    EPILOG
     
     
     
    C RYSTAL P ALACE , L ONDON
    8 W OCHEN SPÄTER
     
    »… festzustellen, dass wir am Beginn eines neuen Zeitalters stehen. Eines Zeitalters, in dem nicht länger rohe Kraft den Fortschritt der Menschheit bestimmt, sondern in dem wir in der Lage sind, völlig neue Quellen der Energie zu erschließen. Mit der Eröffnung des neuen Elektrizitätswerks, die vorzunehmen mir im vergangenen Jahr eine besondere Ehre gewesen ist, hat die bedeutendste Metropole der Welt einen Schritt getan, der wohl nur mit der Entdeckung der Dampfkraft vergleichbar ist. Und ähnlich wie die Dampfkraft dem Empire neue Möglichkeiten des Fortschritts und des Wohlstands erschlossen hat, wird auch die Elektrizität dafür sorgen, dass London in Zukunft das bleibt, was es ist – die Hauptstadt eines Weltreichs.«
    Mit diesen Worten legte der Mann auf dem Podest einen Schalter um, und im nächsten Moment wich das geheimnisvolle Halbdunkel, das soeben noch im Kristallpalast geherrscht hatte, strahlendem Licht. Licht, das von unzähligen Glühbirnen produziert wurde, die unterhalb des gewölbten Glasdachs angebracht worden waren, und das nicht flackerte, weil es weder von Wachs noch von Petroleum oder Gas genährt wurde. Die Methode war eine völlig andere, die jener auf den ersten Blick so unscheinbare Mann entwickelt hatte, der dort am Rednerpult stand und jetzt den rauschenden Beifall der Menge entgegennahm, die sich zur feierlichen Illuminierung des Crystal Palace eingefunden hatte.
    Wieder wurde ein neues Kapitel in der Geschichte Londons aufgeschlagen, wieder ein glorreicher Schritt in eine von Technik beherrschte Zukunft getan – und Sarah Kincaid fragte sich, was dies bedeuten mochte. Würde die Elektrizität die Welt tatsächlich revolutionieren? Der erfindungsreiche Mann am Rednerpult, der sich jetzt ausgiebig feiern ließ, schien davon überzeugt zu sein.
    Vielleicht, rätselte Sarah, die wie viele andere Einwohner Londons gekommen war, um dem Schauspiel beizuwohnen, hatte er Recht damit. Unwillkürlich fühlte sie sich an die dramatischen Ereignisse erinnert, die hinter ihr lagen. Obwohl inzwischen fast zwei Monate verstrichen waren, war Sarah alles noch sehr gegenwärtig – und sie fragte sich, ob die Menschheit auf dem Weg war, das Geheimnis des Thot auf eigene Faust zu enträtseln.
    Möglicherweise war die Erfindung Thomas Alva Edisons – so hieß der Mann am Rednerpult – der erste Schritt zu jener unheimlichen Kraft, deren Zeugen Sarah und ihre Gefährten in der Kammer der Geheimnisse geworden waren, und die Worte des alten Ammon kamen ihr in den Sinn:
    Das Wissen, das im Buch von Thot niedergeschrieben ist, stammt aus einer anderen Zeit und Welt. Es ist das Wissen der Götter und nicht für Menschen bestimmt. Noch nicht. Vielleicht wird die Zeit das eine oder andere Geheimnis von sich aus offenbaren, wenn die Menschheit alt und reif genug dafür ist…
    Der Gedanke beunruhigte Sarah, und sie fühlte sich plötzlich unwohl inmitten der Traube der Schaulustigen: Ladys und Gentlemen der besseren Londoner Gesellschaft, die die Gelegenheit zu einem abendlichen Spaziergang genutzt hatten. Sarah sah sich von schwarzen Zylindern und ausladenden Hüten umringt, von Röcken mit Pelzbesatz und rauschenden Kleidern. Sich ohne männliche Begleitung in die Öffentlichkeit zu begeben, noch dazu zu dieser späten Stunde, galt als äußerst unschicklich, und nicht selten wurde Sarah dafür mit abschätzigen Blicken bestraft. Sarah konnte darüber nur lächeln.
    Noch eine Weile lang flanierte sie durch die strahlend hell erleuchteten Flügel des aus Gusseisen und Glas errichteten Gebäudes, das vor über dreißig Jahren anlässlich der Weltausstellung errichtet worden war und nichts von seiner Faszination eingebüßt hatte. Noch immer galt der Kristallpalast den Londonern als Symbol des Fortschritts und der Überlegenheit britischer Technik und Ingenieurskunst. Möglicherweise befand sich die Welt ja tatsächlich am Vorabend eines neuen, von Maschinen dominierten Zeitalters, ganz wie Mortimer Laydon es vorausgesehen hatte.
    Es
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