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Der Schatten von Thot

Der Schatten von Thot

Titel: Der Schatten von Thot
Autoren: Michael Peinkofer
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verstehen.«
    »Leben Sie wohl, Kamal, und haben Sie Dank für alles, was Sie für uns getan haben.«
    »Ich habe zu danken, Sir Jeffrey«, erwiderte Kamal und verbeugte sich nach orientalischer Sitte. »Salam al-Eikum.«
    »El-aleikum salam«, erwiderte der königliche Berater den traditionellen Gruß und verließ ebenfalls das Zelt, sodass Sarah und Kamal allein zurückblieben.
    »Dann heißt es also Abschied nehmen«, sagte Sarah, und es war ihr anzuhören, dass ihr der Gedanke nicht gefiel.
    »So wird es sein.« Kamal nickte.
    »Und du bist sicher, dass du nicht nach London mitkommen willst? Nach allem, was du für uns getan hast, hättest du von der Justiz nichts mehr zu befürchten.«
    »Vielleicht.« Kamal nickte. »Dennoch kann ich nicht zurück, Sarah, nicht mehr. Meine Welt ist hier, so wie deine im fernen England ist. Sie verbinden zu wollen, hieße Wasser in die Wüste zu tragen – es würde im Sand versickern. Aber ich verspreche dir, dass ich dich niemals, niemals vergessen werde.«
    »Niemals?« Sarah hörte den brüchigen Klang ihrer Stimme. Ihr wurde bewusst, dass dieser Abschied endgültig sein würde, und mit einem Mal tat es ihr weh. »Ich will kein Versprechen«, flüsterte sie, »ich will dich« – und noch ehe er etwas erwidern konnte, presste sie ihre Lippen auf seine, und ihre Münder begegneten einander in einem innigen Kuss, der zärtlich und zugleich voller Leidenschaft war.
    Sarah spürte Kamals Nähe, fühlte sein Herz an ihrer Brust schlagen, und für einen Augenblick durchflutete sie eine Woge reinen Glücks. Dann jedoch war dieser Augenblick zu Ende, und die Wirklichkeit des bevorstehenden Abschieds holte sie wieder ein.
    »Ich will nicht, dass es endet«, hauchte sie, die Augen glänzend.
    »Ich ebenfalls nicht. Aber du und ich, Sarah, wir stammen aus verschiedenen Welten. Zu unterschiedlich ist das, was wir wollen.«
    »Zu unterschiedlich? Ich will nur deine Liebe, Kamal…«
    »So wie ich die deine. Dennoch ist es nicht unsere Bestimmung, zueinander zu finden. Vielleicht an einem anderen Ort, zu einer anderen Zeit, aber nicht hier und nicht jetzt. Zu viel ist geschehen. Zu viel, über das ich nachdenken muss.«
    »Ich weiß, was du meinst.« Sarah nickte. »Auch für mich hat sich viel verändert. Als ich nach Afrika kam, war ich voller Trauer und Zorn. Ich gab mir die Schuld am Tod meines Vaters und an vielen anderen Dingen…«
    »Und jetzt?«
    »Weiß ich, dass mich keine Schuld trifft«, entgegnete sie traurig, aber überzeugt. »Ein Verräter befand sich unter uns, dessen Identität keiner erahnen konnte. Und ich weiß, dass mein Vater mir vergeben hat.«
    »Was wirst du tun, wenn du wieder in England bist?«
    »Ich weiß noch nicht. Ich schätze, ich werde nach Kincaid Manor zurückkehren und die Studien fortsetzen, die ich unterbrochen habe. Vielleicht bleibe ich vorerst auch noch eine Weile in London. Die Zeit wird es lehren.«
    »Und deine Träume?«, fragte Kamal.
    »Auch das wird die Zeit lehren«, entgegnete Sarah lächelnd, und ihre Blicke begegneten sich in einem letzten magischen Moment, der ihnen gegenseitig ihre Seelen zu offenbaren schien. Noch einmal umarmten sie einander, dann wandte sich Sarah zum Gehen.
    »Werden wir uns jemals Wiedersehen?«, fragte Kamal.
    Sie wandte sich noch einmal um.
    »Inschallah«, entgegnete sie.
    Dann verließ sie das Zelt.
    Draußen standen die Kamele bereit, die die Wüstenkrieger ihnen zur Verfügung gestellt hatten und die schwer mit Wasser und Vorräten für den weiten Weg zurück beladen waren. Über Minieh würde die Reise erneut nach Norden führen, den Nil hinauf bis nach Alexandrien, wo Sarah und ihre Gefährten das nächste Schiff Richtung England besteigen würden.
    Ein wenig betrübte es Sarah, dass sie die Rückreise mit leeren Händen antraten. Es gab nichts, das sie vorzuweisen hatten, keine alten Schriftrollen, die sich studieren ließen, und kein Artefakt, das sich ausstellen ließ. Der Plan der Verschwörer jedoch war vereitelt, und darauf kam es an! Die Gefahr war gebannt, und auch im Londoner East End würde wieder Ruhe einkehren. Die Dinge würden ihren gewohnten Gang nehmen, ohne dass die Welt Notiz von den dramatischen Ereignissen nahm, die sich im heißen Wüstensand abgespielt hatten – und wenn Sarah es recht bedachte, dann war es auch besser so.
    Die Tuareg hatten sich versammelt, um den Besuchern die Ehre des Abschieds zu erweisen. Sir Jeffrey, Milton Fox sowie Captain Hayden und seine Soldaten – die
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