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Das Zeit-Tippen

Das Zeit-Tippen

Titel: Das Zeit-Tippen
Autoren: Jack Dann
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Einleitung
     
     
     
    Ich kenne Jack Dann seit meiner Zeit in Baltimore, als er wegen der sonderbaren Riten der Guilford Gafia in die Stadt zu kommen pflegte. Die G.G. die sich in dem an ein von Katzen wimmelndes Gepensterhaus erinnernden Haldeman Manor zu treffen pflegte, war eine Schriftstellergruppe, die am Rande des Chaos zu leben schien oder sogar vielleicht noch näher daran. Obwohl ich kein Mitglied war, wohnte ich in der Nähe, und gelegentlich verblüfften mich die seltsamen Lichter und Geräusche, verwirrte mich die Funktion eines Haihirns in Formaldehyd, das einen ganzen Raum für sich in Anspruch nahm, und erfreuten mich die spätnächtlichen Einladungen zu Artischockengrillereien. Das Eindrucksvollste an dieser Gruppe besteht darin, daß jeder ihrer Angehörigen ein bekannter Autor geworden ist. Es wäre schön, hierauf die intellektuelle Selbstbestätigung zurückführen und auf ein gewisses Etwas in Jacks Arbeiten hinweisen zu können, um dann zu sagen: „Aha! Ein deutliches Beispiel für Jules Romains’ Theorie über den Unanimismus! Es ist der Guilford-Einfluß. Sie schaffen so etwas.“ Aber leider erwies es sich, daß jeder in der Gruppe völlig anders als sonst jemand in der Gruppe schrieb, und es läßt sich absolut keine austauschbare literarische Szene erkennen. Ich kann mich nur auf die Zeit und den Ort berufen und bezeugen, daß ich dann und dort Jack Dann und sein Werk besser kennenlernte.
    Daß Jack ein eigenständiger und intelligenter Mann mit einem feinen Gespür für Humor und einem scharfen Blick ist, sagt Ihnen noch nichts, nehme ich an, über die Art und Weise, wie er schreibt, aber ich kannte ihn, ehe ich seine Arbeiten kannte, und ich möchte Ihnen, sei es auch nur aus zweiter Hand, den gleichen Vorteil einräumen. Jack ist ein Mensch, mit dem ich mich gern unterhielt, und natürlich fragte ich mich, was für Geschichten er schrieb. Ich muß gestehen, daß ich danebengeraten habe. Das ist mir freilich nicht nur einmal passiert. Ich vermag nur selten zu erraten, wie jemand, den ich kenne, schwarz auf weiß wirkt. Deshalb vermag ich nur selten nach etwas Gelesenem zu sagen, was für ein Mensch der Autor wohl ist. Wenn Schreiben ein Spiegel der Seele ist, bestärkt es meinen Glauben an die Komplexheit dieser Wesensart. Ich lasse mich gern überraschen, obwohl die Literatur vermutlich als ideales Serum gegen die Überraschung dienen sollte.
    Jack Danns Arbeiten überraschten mich damals und tun es immer noch. Nicht nur in seinem literarischen Bekanntenkreis gelingt es mir nicht, Ähnlichkeiten zu entdecken. In seinem Hintergrund mag etwas von Kafka und Borges sein, aber ich habe ihn nie danach gefragt, und der Vergleich ist allen Betroffenen gegenüber eigentlich nicht fair. Jeder Schriftsteller hat seine literarischen Vorgänger, ob er sich nun dessen bewußt ist oder nicht. Ich mißtraue dem Wert, über einen bestimmten Punkt hinaus nach ihnen zu wühlen, wenn man weder Gelehrter noch Kritiker ist, sondern einfach nur Leser, und ich möchte lieber diese Art der Ausgrabung denjenigen überlassen, die ihre eigenen Seelen so widerspiegeln. Was Jacks Arbeiten angeht, so glaube ich, Adjektive verwenden zu können wie surrealistisch, traumhaft und expressionistisch und mit jedem davon an ein Körnchen Wahrheit zu rühren. Andy Warhol sagte einmal irgendwo, es verwirre ihn, wenn immer Leute anfangen, mit ihm über das Subjektive und das Objektive zu sprechen. Ich habe manchmal das gleiche Gefühl. Jacks Geschichten sind häufig gute Beispiele für eine Welt, in der eine solche Trennungslinie ausgewischt worden ist. Leute und Dinge besitzen eine eigenartige Immanenz, jede Handlung währt ewig, jede Wahrnehmung ist irgendwie universal, und überall spukt es. Diesen Geschichten wohnt etwas Halluzinatorisches inne, und viel von Jacks Künstlertum liegt in seiner Fähigkeit, diese Art Hypnose auszuüben. Erst nach dieser Erfahrung wundern Sie sich allmählich darüber. Dabei folgen Sie ihm einfach dahin, wohin er Sie führt, durch eine ständig wechselnde Landschaft. Und nach jeder Geschichte, frage ich mich, was er demnächst tut. Dann zeigt er es mir – und ich wundere mich immer noch.
    Jack ist ein Wirklichkeitszauberer. Wie Castaneda, wie Lewis Carroll, wie Philip K. Dick ist er ein Meister des Standpunkts Nichts-ist-so-wie-es-scheint-und-alles-ist-vielleicht-nur-scheinbar. Schriftsteller dieser Art sind schwer zu klassifizieren, wenn es um Bedeutungen geht, denn ihr relativistischer
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