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Der pfeifende Mörder

Der pfeifende Mörder

Titel: Der pfeifende Mörder
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nicht erlebt hat. Ein wichtiges Requisit der Maske, die er heute wieder wählt, ist auch die meisterhaft angefertigte Perücke, mit der er Antje schon kennengelernt hat. Sie trägt – nebst anderen Hilfsmitteln – dazu bei, daß er sich im Bedarfsfalle sogar in Leeuwarden, seiner Heimatstadt, bewegen kann, ohne erkannt zu werden. Bleich ist sein Gesicht vor dem Spiegel. Die Augen liegen in tiefen Höhlen, sie glühen von innen heraus. Der Rausch beginnt sich zu verdichten. Die Bestie tritt aus ihrem gespaltenen Inneren hervor. Plötzlich zieht ein breites, aber lautloses Lachen über sein Gesicht. Im Schein der Lampe über dem Spiegel blitzt der Goldzahn, den inzwischen die Polizei ganz Europas fieberhaft sucht.
    Der Mörder sieht auf die Uhr, dann tritt er ans Fenster und blickt über die Straße.
    Leer liegt sie vor ihm. Pfützen haben sich am Bordstein gesammelt. Von Norden her weht der Nebel herein.
    Der Mörder nickt zufrieden.
    Er geht ins Schlafzimmer. Als er aus diesem wieder zum Vorschein kommt, trägt er eine Aktentasche unterm Arm – seine Aktentasche. Wenn Zeugen zur Stelle wären, könnten sie sehen, daß sie schwer ist.
    Der Mörder geht durch die Diele seiner eleganten Wohnung und löscht das Licht, ehe er die Außentür aufschließt, sie öffnete und ein Weilchen lauscht. Nichts ist zu hören, deshalb schlüpft er aus der Wohnung, huscht über einen langen Korridor und verschwindet hinter einer Tür, die zu einem zweiten Treppenhaus führt. Letzteres stellt eine Verbindung zu den Lagerräumen der Firma des Mörders dar.
    Wieder verhält er lauschend, ehe er durch die dunklen Lager gleitet und an der kleinen Pforte anhält, durch die man über den Hof eine Nebenstraße erreicht.
    Aufatmend lehnt er sich draußen an die Wand eines Schuppens, dann setzt er sich wieder in Bewegung und schlägt einen großen Bogen um die Straßen, die zum Meppelpark führen.
    Von hinten, von der Meeresseite her, nähert sich der Mörder seinem Opfer. Er kommt aus einer anderen Richtung als derjenigen, die Paul Leerdam als die wahrscheinlichste angesehen hat und auf die er deshalb den Einsatz seiner Leute abstimmte. Der Mörder tritt auch nicht gleich im Umkreis des Parks oder gar der Laterne in Erscheinung, sondern wartet auf einem Gartengrundstück im Nebel, bis die ferne Glocke der St.-Jakobus-Kirche die achte Stunde schlägt.
    Da erst geht ein Zucken durch seinen Körper. In seinen Augen liegt ein fiebriger Glanz. Die eine Hand hält die Aktentasche, die andere gleitet in die Tasche hinein, um sich zu vergewissern, ob der Inhalt noch da ist. Natürlich ist er das.
    Der Mörder schnuppert durch den Nebel wie ein Hund, der die Witterung aufnimmt.
    Er ahnt nicht, daß sich die Welt für ihn verändert hat. Sechs andere Hunde, echte, denen er mit jedem Schritt näher kommt, gieren auf seine eigene Witterung.
    Der Tod tritt auf.
    Es steht nur noch die Entscheidung aus, wen er trifft …
    Und an der Laterne wartet Antje.
    In den Büschen, an Baumstämmen gepreßt, mit diesen im Dunkeln verschwimmend, lauern die Polizisten. Auf der Oploostraße wankt ein Betrunkener durch den Nebel. Ein Würstchenverkäufer hat seinen Laden wohl dichtgemacht und schiebt sein fahrbares ›Geschäft‹ nach Hause. Ein Reisender, der vom Bahnhof kommt und immer wieder seinen schweren Koffer abstellen muß; um neue Kräfte zu sammeln, gewinnt dadurch nur langsam an Boden. Niemand sieht diesen Männern an, daß sie Kriminalbeamte sind, die unter ihren Hüten oder Mützen unablässig Ausschau halten nach dem größten Verbrecher ihrer bisherigen und wohl auch noch vor ihnen liegenden Laufbahn. Paul Leerdam hockt in unmittelbarer Nähe der Laterne im Gebüsch, ebenso Uwe Hellmond, der die entsicherte Dienstpistole in der Hand hält. Leerdam sieht auf das sanft phosphoreszierende Zifferblatt seiner Armbanduhr. Fünf nach acht. Wilm Schouwen kämpft mit einigen nassen Zweigen, die ihm die Sicht rauben. Verstreut im nassen Gras liegen sechs Hunde. Sie hecheln nur ganz leise mit spitzen Ohren und verhalten sich im übrigen so, wie es ihnen gelernt wurde – lautlos. Der Atem steht ihnen wie kleine Wölkchen vor den Schnauzen.
    Der Nebel ist dicht und fast klebrig vor Nässe. Nur schwach durchdringt ihn der Schein der Laterne; letzterer wird aufgesaugt und bildet lediglich einen hellen Fleck in einem Gewirr von Schleiern.
    Antje am Fuß der Laterne ist nur ein Schemen, der sich im milchigen Weiß ständig gänzlich aufzulösen droht.
    Antje hat
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