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Der pfeifende Mörder

Der pfeifende Mörder

Titel: Der pfeifende Mörder
Autoren: Heinz G. Konsalik
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vorgesehen waren. Einige von ihnen, an strategischen Punkten eingesetzt, sollten Hunde an der Leine haben. Das gebot der Nebel, in dem der Mörder, wenn er durch irgendeinen unvorhergesehenen Vorfall gewarnt werden und die Flucht ergreifen würde, Menschen leicht und rasch entrinnen konnte – nicht aber Hunden.
    Im übrigen war den Beamten schon eingeschärft worden, im Bedarfsfalle sofort und rücksichtslos von der Schußwaffe Gebrauch zu machen. Leerdam hatte vor versammelter Mannschaft erklärt: »Derjenige, in dessen Verantwortung es fallen sollte, daß diese Bestie noch einmal entkommt, kann sich gleich selbst erschießen.«
    Der schärfste Polizeihund Hollands war Antje Hellmond zugeteilt. Mit ihm sollte sie an der Laterne stehen und auf ihr Schicksal warten. Seit einigen Tagen schon hielt sich der Hund im Zimmer von Antje, die der Präsident von ihrem normalen Dienst freigestellt hatte, auf, und die Freundschaft zwischen dem Mädchen und Alba – so hieß der Schäferhund, der ein prachtvolles, schon mit vielen Preisen ausgezeichnetes Exemplar war – vertiefte sich mit jeder Stunde mehr. Mutter Wilma allerdings lief jedesmal, wenn sie in Antjes Zimmer kam und den Hund sah, Gefahr, daß ihr schlecht wurde.
    Leerdam hatte zu Antje gesagt: »Sie müssen mit Alba in der Wohnung bleiben. Gehen Sie nicht mit ihm auf die Straße!«
    »Warum nicht?«
    »Der Mörder lebt in unserer Nähe. Wenn er Sie mit dem Hund laufen sieht, könnte er Verdacht schöpfen, und er würde uns etwas husten.«
    Alles war also optimal vorbereitet.
    Alles?
    Kommissär Paul Leerdam beugte sich mit konzentriertem Gesicht wieder über die Karte.
    Samstag.
    Ein diesiger, nasser Tag. Nebel, der auf dem Meer lastet.
    Der Himmel wird nicht hell. Man ahnt die Nebelfetzen, die bei einbrechender Dunkelheit durch die Straßen flattern und die Menschen dazu veranlassen werden, sich zu Hause in ihren Wohnungen aufzuhalten und es sich gemütlich zu machen.
    Nicht alle Menschen.
    Einen vielfachen Mörder nicht, sein Opfer nicht, ein Dutzend Polizeibeamte nicht …
    Der Abend kommt. Die Straßen sind leer. Nur vereinzelt fahren Autos durch den nassen Abend. Die Büros haben die Angestellten ausgespuckt, die Fabriken ihre Arbeiter ebenso. Nachzügler eilen zu den Straßenbahnen oder Bussen und sind froh, dem unwirtlichen Wetter bald entronnen zu sein.
    In der Wohnung der Familie Hellmond bäumt sich Mutter Wilma zum letztenmal gegen das auf, was nicht mehr zu verhindern ist.
    »Du tust das nicht!« sagt sie zu Antje.
    »Doch, Mutter, es muß sein!«
    »Hast du denn keine Angst, mein Kind?«
    »Nein«, lügt Antje. »Zu viele passen auf mich auf. In erster Linie Alba.«
    Der Hund, der vor ihr steht und sie anblickt, scheint sie zu verstehen. Er wedelt lebhaft mit dem Schwanz.
    In Wirklichkeit krampft sich in Antjes Innerem alles zusammen vor lauter Angst und Furcht. Es gibt aber kein Zurück mehr, das weiß sie. Hollands meistgesuchter Verbrecher, eine Bestie in Menschengestalt, muß unschädlich gemacht werden. Das Instrument, das der Polizei dazu verhelfen kann, ist nun mal einzig und allein Antje Hellmond aus Leeuwarden.
    »Ich komme mit!« sagt Wilma Hellmond plötzlich entschlossen.
    Ihre Tochter und ihr Mann hören das nicht zum erstenmal.
    »Du bleibst hier!« sagt deshalb Uwe Hellmond ebenso entschlossen, wie wenn er es schon auswendig gelernt hätte.
    »Schuld an allem bist du!« schreit ihn seine Frau an.
    »Nein, Mutter«, widerspricht ihr die Tochter, und auch das sagt sie nicht zum erstenmal, »es war ganz allein meine Entscheidung.«
    Eine Weile herrscht drückende Stille.
    »Komm, Antje, wir müssen los, Leerdam wartet«, läßt sich dann Uwe Hellmond vernehmen. Innerlich ist ihm auch ganz anders zumute, als er es nach außen hin zu erkennen gibt.
    »Komm, Alba«, sagt Antje.
    Uwe, Antje und Alba – drei, die buchstäblich zusammengehören auf Leben und Tod – gehen zur Tür.
    »Antje!« schreit Wilma Hellmond.
    »Mutter, wenn du mich liebhast, geh ins Bett und schlafe. Sobald wir zurückkommen, wecken wir dich, und du machst uns einen heißen Tee, ja?«
    »Antje, bist du verrückt? Wie soll ich –«
    Die Tür fällt zu. Wilma Hellmond ist allein. Schluchzend bricht sie auf der Couch zusammen.
    Um die gleiche Zeit steht der Mörder in seiner Wohnung vor dem Spiegel, der ihm dabei hilft, in eine jener Häute zu schlüpfen, in denen er sich beweist, daß er wahre Größe besitzt, die Größe eines Mörders, wie ihn Holland vor ihm noch
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