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Der pfeifende Mörder

Der pfeifende Mörder

Titel: Der pfeifende Mörder
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Ohr. Grauen steht in ihren Augen, Grauen und Todesangst. Dann prallt ein harter Gegenstand gegen ihren Kopf, und der Nebel um sie wird schwarz, bis sie zusammensinkt und das Bewußtsein verliert.
    In Leeuwarden eilen die Menschen von ihren Arbeitsstätten nach Hause. Die Filmtheater schicken sich an, ihre Kassen zu öffnen. In den Wohnungen kocht das Abendessen auf den Herden. Auch die Häuser der Vorstädte, verborgen im dicken Nebel, füllen sich mit Leben. Der Deichwärter geht seine Strecke ab und dringt vor bis zum Meer, um den gegen die See errichteten Wall zu prüfen. Er hat nur Augen für die Schäden an den Steinwänden seiner Deiche. Er sieht nur die Löcher und die eingesunkenen Stellen, die Wunden, die das Meer dem ewig um seine Existenz ringenden Land schlägt.
    50 Meter vom Wärter entfernt, auf dem Deich, steht sprungbereit ein Mann und lauscht auf die Schritte des Wärters, die sich langsam entfernen. Dann bückt sich der Fremde und zerrt etwas vom Boden hoch.
    Und Nebel hüllt ihn ein, als er hinuntersteigt zum Meer, das nie ermüdend über den flachen Sandstrand klatscht …
    »Festhalten!« schreit der Fischer Peer van Hoest seinem Gehilfen zu. Er lehnt sich an die Bordwand des kleinen Fischkutters, hat die Beine in das Tauwerk gestemmt und umklammert mit beiden Fäusten das kurze Schleppnetz. »Festhalten!« schreit er noch einmal und setzt hinzu: »Und langsam hieven!«
    Der Gehilfe keucht. Schweiß läuft ihm von der Stirn und den Wangen in den Kragen seines Ölzeugs. Aber seine Hände fassen zu und umklammern den Netzrand. Das Boot schaukelt in der schwachen Dünung. Der gedrosselte Motor tuckert unten im Rumpf. Man spürt das Vibrieren durch die Deckplanen unter den Fußsohlen.
    Drei Tage waren sie draußen auf See zum Fang … mitten in der ›dicken Suppe‹, wie Peer van Hoest den Nebel nennt. Sie hatten Glück, kommen mit voller Ladung zurück, und der Markt in Leeuwarden wartet auf sie. Aber was sie jetzt im Netz haben, übertrifft alles Bisherige, das muß ein toller Brocken sein, denn er zieht das Netz immer wieder in die See und läßt die Finger klamm und starr werden.
    »Ruckweise, ruckweise!« schreit van Hoest. »Sonst geht das Netz zum Teufel!«
    Sie ziehen und haken die Netzränder an der Bordwand ein; eine kleine Winde faßt das Schleppseil, sie kreischt, während van Hoest ihre Kurbel dreht, sie schreit fast bei jeder Umdrehung … das Netz kommt … langsam, schwer …
    »Halt!« schreit plötzlich der Gehilfe. Er steht an der Bordwand und blickt mit aufgerissenen Augen hinunter aufs Wasser. Seine Lippen zucken. »Halt, Peer!« schreit er wieder, als der Fischer weiter die Kurbel der Winde dreht. »Halt doch! Da ist was im Netz … mein Gott!«
    Peer van Hoest klemmt die Kurbel fest, damit sie nicht zurückschlagen kann und das Netz nicht wieder in die See klatscht; dann tritt er neben den Gehilfen.
    Was er sieht, macht ihn stumm und läßt ihn erbleichen.
    Ein Körper liegt zwischen Fischen in den engen Maschen. Ein nackter menschlicher Körper. Ein Frauenkörper.
    Ein Rumpf ohne Kopf …
    Peer van Hoest sieht kurz zur Seite. Der Gehilfe hat die Zähne in seine Unterlippe geschlagen. Er ist fast grün im Gesicht.
    »Großer Gott!« stößt Peer hervor.
    »Mir wird schlecht«, krächzt der Gehilfe.
    Peer, der Fischer, wendet den Blick von der Leiche, geht zurück zur Winde. »Einholen«, sagt er gepreßt. »Und sofort zurück nach Ferwerd.«
    Er dreht die Kurbel. Das Netz schwebt langsam empor. Klatschend fällt das herausstürzende Wasser auf das Deck.
    »Verfluchte Schweinerei!« murmelt Peer van Hoest. »Auf meinem jetzigen Fang werde ich wohl sitzenbleiben. Wer kauft denn einen Fisch, der mit einer Leiche Berührung hatte!«
    In Leeuwarden kaut der Kriminalkommissär Paul Leerdam am Ende seines Bleistifts. Sein Dienstzimmer, ein großer, nüchterner Raum, ist überheizt und erfüllt von Zigarrenqualm. Dem Kommissär gegenüber am runden Tisch sitzt Wilm Schouwen und blättert in einem Stapel eng beschriebener Papiere. Ab und zu sehen sich die beiden Männer an, dann zuckt Leerdam die Schultern und kaut weiter an seinem Bleistift.
    »Der Körper des Mädchens zeigt außer der Trennung des Kopfes vom Rumpf keinerlei Spuren von Gewaltanwendung«, sagte Wilm Schouwen, Leerdams Gehilfe, in einem Amsstil, dessen Sarkasmus nicht mehr zu steigern ist.
    »In der Tat.« Paul Leerdam schneidet eine Grimasse. »Außer der Trennung des Kopfes vom Rumpf …«
    »Die Untersuchung hat
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