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Wofür stehst Du?

Wofür stehst Du?

Titel: Wofür stehst Du?
Autoren: Giovanni di Lorenzo Axel Hacke
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    Damit das klar ist –
    Ein Vorwort
    Wir kennen uns seit 25 Jahren. In dieser Zeit haben wir einiges geteilt und vieles besprochen: Trennungen, Erfolge, Ängste, Fluchten, Kinderwünsche, Leidenschaften, Todesfälle in der Familie. Einmal haben wir uns gemeinsam in einer Bürgerinitiative gegen Rechtsextremismus engagiert. Nur ein einziges Thema haben wir immer sorgsam ausgespart, vielleicht müsste man eher sagen: nie in Worte gefasst, denn es ist aus allen anderen Lebenserfahrungen kaum herauszuhalten. Wir haben nie darüber gesprochen, an welche Werte wir glauben und für welche Werte wir einstehen würden.
    Das ist seltsam, nicht wahr? Aber woran liegt das?
    Es trifft vielleicht zu, dass Bekennermut nicht die Stärke der heute Vierzig- oder Fünfzigjährigen ist, unserer Generation. Doch es gibt da noch ein Problem. Jeder klangvolle Begriff (und gehört das Wort »Werte« denn nicht zu den klangvollsten?) ist so oft benutzt und missbraucht worden, dass einem schon das Aussprechen gleichzeitig pathetisch und leer vorkommt. Auf unseren Klassenfetenwurden noch die Platten einer Berliner Anarcho-Band gespielt, die in eines ihrer Booklets den schönen Satz geschrieben hatte:
    »Wie kann ich dir sagen, dass ich dich liebe?
    Nachdem ich gehört hab: ›Autos lieben Shell‹?«
    Aber diese Begründungen sind, wenn überhaupt, nur ein Teil der Wahrheit. Am schlimmsten an der Vorstellung, sich auf Werte festzulegen, sie gar zu propagieren, ist die drohende Aussicht, als Tugendbold Hohn und Spott ausgesetzt zu sein oder ein Leben lang daran gemessen zu werden, was man selbst einst eingefordert hatte. Es gibt nur sehr wenige, die dem standhalten könnten. Wir gehören mit Sicherheit nicht zu ihnen.
    Seit einigen Jahren sind jüngere Menschen dabei, die Schlüsselstellen in unserem Staat zu besetzen. Bezeichnend ist, dass ihnen allen – von Philipp Rösler, dem Gesundheitsminister in der schwarz-gelben Regierung, über Sigmar Gabriel, dem vorerst letzten Hoffnungsträger der SPD, bis hin zu Reinhold Beckmann, dem Fernsehjournalisten der ARD – etwas attestiert wird, was sogleich als Schwäche erscheint: sie seien pragmatisch und dabei so flexibel, dass sie ihre Haltungen immer wieder justierten, je nachdem, was gerade opportun ist, also kollektiv unfähig, auf die Frage zu antworten: Wofür stehst Du eigentlich?
    Die Frage provoziert Abwehr, und das ist verständlich: Sie ist voller Vorwurf, sie dient manchmal, wenn sie von Älteren gestellt wird, auch zur Überhöhung der eigenen Generation. Und sie ist leider auch nur von einigen Helden und Heldinnen oder von etwas tumben Menschen immer eindeutig zu beantworten. Die großen Themen unserer Zeit – Klimawandel, Überbevölkerung oder Gerechtigkeit – sind nicht nur gewaltig groß, sie sind auch unfassbar kompliziert. Die Vielschichtigkeit der Probleme und ihre monströsen Ausmaße machen offenbar ohnmächtig oder etwas feige oder beides zugleich.
    Es gibt in Deutschland einen massenhaften Rückzug aus gesellschaftlicher Verantwortung, was allein schon daran sichtbar wird, wie wenig Auswahl es bei der Besetzung der meisten politischen Ämter gibt, von den Kommunen bis in die Parlamente. Und daran, wie viele Menschen selbst noch den kleinsten Schritt der Teilhabe am Ganzen scheuen: den Gang an die Wahlurne, alle paar Jahre. Ja, selbst Politiker in höchsten Ämtern scheinen bisweilen die Last der politischen Verantwortung abschütteln zu wollen, wie im Jahr 2010 die Fälle Koch, Köhler und von Beust zeigten.
    Was hilft dagegen?
    Jedenfalls kein Kanon neuer Werte – die altbekannten wie Gerechtigkeit, Mitmenschlichkeit oder Bewahrung der Schöpfung sind fordernd genug. Und bitte auch kein Handbuch der Alltagsmoral! Wer von diesem Buch einen Leitfaden, Anweisungen und Tipps für das eigene Leben erwartet, vielleicht sogar ein vollständiges Kompendium von Werten für alle Lebenslagen – der legt es am besten jetzt aus der Hand!
    Von uns kommt erst einmal das Eingeständnis einer Schwäche, nämlich das Bekenntnis der eigenen Ambivalenz. Aus kaum einer Krise oder Konfrontation, sei sie beruflich, privat oder politisch, kommt man mit nur einer einzigen Erkenntnis heraus, oft aber mit vielen Widersprüchen. Aber das zu akzeptieren, ist am Ende keine Schwäche, sondern eine Stärke.
    Beim Versuch, zu beschreiben, was uns wichtig ist im Leben und was uns fehlt, haben wir uns an unsere eigene Erfahrungswelt gehalten. Es war unvermeidlich, dass wir dabei viel von uns
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