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Der pfeifende Mörder

Der pfeifende Mörder

Titel: Der pfeifende Mörder
Autoren: Heinz G. Konsalik
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rumzukriegen. Daß es das heute noch gibt, wundert mich eigentlich. Der Kerl, dem sie zum Opfer fiel, muß also seine Qualitäten haben. Er hat sie im Kino angequatscht. Er hat dort seinen Köder für sie ausgelegt, und prompt biß sie an. Bei Jan Sehlke tat sie das nicht. Darauf muß ich Sie übrigens besonders hinweisen, Wilm. Dieser Sehlke sieht doch viel, viel besser aus als Sie, mein Lieber – und was erreichte er damit? Ich stelle Ihnen diese Frage, um Sie zu veranlassen, in gewisser Beziehung über sich nachzudenken. Nein, schweigen Sie, ich erlasse es Ihnen im Moment, mir zu antworten, wir haben dazu keine Zeit, unser Mordfall drängt. Das Schwein ist also vom Typ her ein sogenannter Herzensbrecher.«
    Leerdam legte eine kleine Pause ein, in der er Mühe hatte, nicht verächtlich auszuspucken. Die Zigarre half ihm dabei, das zu vermeiden. Dann fuhr er wieder fort: »… oder ein Ladykiller, wie man heutzutage solche Typen zu bezeichnen pflegt. Auf jeden Fall haben wir also einen netten jungen Mann zu suchen …«
    »Wieso jungen?« unterbrach Wilm Schouwen, um sich ein bißchen zu rächen.
    »Richtig«, nickte Leerdam grimmig, »das wissen wir nicht. Es kann auch ein älterer sein. Jedenfalls aber ein netter. Das gibt's ja auch, sehen Sie mich an, Wilm. Trotzdem tippe ich, was den Mörder angeht, auch auf ›jung‹, da Ruth Kappel nur einen Durchschnittsgeschmack gehabt haben wird. Damit wird der Kreis kleiner.«
    »Oder größer«, knurrte Schouwen. »Es mögen in Leeuwarden und Umgebung zehntausend und mehr nette junge Männer leben. Scheusale sind seltener.«
    Sich ein zweites Mal geschlagen gebend, seufzte Leerdam: »Es verbietet sich auch, im Bekanntenkreis der Ermordeten herumzustochern.«
    »Richtig. Sie hat den Mann erst im Kino kennengelernt. Er war ihr völlig fremd, trat in ihr Leben, brachte sie um und verschwand wieder.«
    »Die berühmte Nadel im Heuhaufen«, seufzte Leerdam noch einmal.
    »Wobei wir noch nicht einmal wissen, wie groß der Heuhaufen ist, Chef. Wie Leeuwarden? Oder wie ganz Holland?«
    Kommissär Leerdam blickte erschrocken.
    »Jaja«, ließ Schouwen nicht locker, »wer garantiert uns, daß nicht ganz Holland der Heuhaufen ist, Chef?«
    Das Stichwort war gefallen, und es erwies sich als absolut durchschlagskräftig.
    »Wissen Sie, was, Wilm?« sagte Kommissär Leerdam. »Ich überlege mir nun doch, ob ich Amsterdam einschalten soll. Der Fall weitet sich aus.«
    Ohne viel Hoffnung setzte er dann die Einvernahme der Sekretärinnen fort. Und es ergab sich tatsächlich nichts Neues mehr. Ruth Kappel war eine beliebte Kollegin gewesen, das wurde wiederholt gesagt, aber sie hatte, was ihr Privatleben anging, eine Wand um sich gelegt. Bei weitem nicht so mitteilsam wie andere junge Mädchen ihren Freundinnen gegenüber, hatte sie fast alles ›Private‹ für sich behalten. Dadurch war es sogar des öfteren dazu gekommen, daß sie in der Firma von Kolleginnen geneckt worden war, weil sie gar keine Männerbekanntschaften geschlossen und sich so mehr als deutlich von den anderen Mädchen des Betriebes unterschieden hatte.
    Paul Leerdam machte Schluß mit den unergiebigen Verhören. Auch Wilm Schouwen klappte sein Notizbuch zu, und die beiden verließen die Termath-Werke, um zu dem Haus zu fahren, in dem Ruth Kappel wohnte, besser gesagt: gewohnt hatte.
    Sie kamen in eine kurze, enge Straße in der Altstadt, die eingesäumt wurde von hohen, schmalbrüstigen Häusern mit spitzen Giebeln und schönen, geschnitzten Türen. In diesen Häusern wohnte ein Heer kleiner Angestellter zur Untermiete, Mädchen, die aus dem Flachland und von der Küste in die Stadt gezogen waren, um Geld zu verdienen, oder junge Männer, die in ihren Dörfern keine Arbeit gefunden und geglaubt hatten, in Leeuwarden ihr Glück machen zu können.
    Der Kreis der Angehörigen, den Ruth Kappel besessen hatte, war klein. Die Eltern waren bei einem Bombardement im Zweiten Weltkrieg umgekommen. Eine alte Tante lebte in Den Haag, ein Onkel als Ziegeleimeister in Haarlem. Mehr Verwandte gab's nicht.
    Die Zimmervermieterin, eine dicke, alte Frau mit einem mürrischen Gesicht, empfing die beiden Polizeibeamten mit einem Wortschwall und wollte als Wichtigstes wissen, wer für den Mietausfall aufkommen würde, der ihr entstünde, wenn ›die Kappel‹ noch länger ausbliebe.
    »Wißt ihr denn, wo sie ist?« fragte sie.
    Zwei, drei Sekunden lang schwieg der Kommissär, dann antwortete er: »Ja.«
    »Dann sagt es auch mir, damit
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