Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Xeelee 2: Das Geflecht der Unendlichkeit

Xeelee 2: Das Geflecht der Unendlichkeit

Titel: Xeelee 2: Das Geflecht der Unendlichkeit
Autoren: Stephen Baxter
Vom Netzwerk:
1

    WIE EIN STEIN, der aus einer blauen Schüssel herausgeschleudert wurde, löste sich der Raumgleiter von der besetzten Erde. Glitzernd und taumelnd gewann das kleine zylindrische Raumschiff an Höhe.
    Der Qax-Gouverneur auf Terra hatte an Jasoft Parz die Aufforderung ergehen lassen, sich in der Erdumlaufbahn zu einem Meeting einzufinden. Parz zermarterte sich das Gehirn, das seit den Jahren seines diplomatischen Dienstes nur noch in starren Mustern dachte, nach den möglichen Gründen dieser Vorladung. Natürlich; es mußte mit dem Erscheinen dieses verdammten Wurmlochs zu tun haben, das die Qax wie einen Schwarm Hornissen aufgescheucht hatte.
    Aber warum sollte er sich gerade jetzt melden? Was war geschehen?
    Proportional zur zunehmenden Entfernung von der Erde wuchs auch Parz’ Besorgnis.
    Parz war allein in dem automatisierten Raumer. Er sah, wie Bahnen von aquamarinfarbenem terrestrischen Licht durch die kleinen Bullaugen stachen, der Rotation des Bootes folgten und durch die staubige Atmosphäre schnitten. Wie immer nahm ihm die glühende Unschuld des Planeten den Atem. Zwei Jahrhunderte Besatzung durch die Qax hatten nur wenige sichtbare Narben auf der Erde hinterlassen – viel weniger jedenfalls, als die Menschen während ihres langsamen und unbedachten Aufstieges zu einer technischen Zivilisation verursacht hatten. Doch nach wie vor waren die von den Qax betriebenen Planktonfarmen, die sich als grüne Grenzen um jeden Kontinent legten, ein bedrückender Anblick; genauso wie die landeinwärts verstreuten glasierten Flächen, die vom kurzen und ruhmlosen Kampf der Menschheit gegen die Qax kündeten.
    Wie oft schon hatte Parz diese spiegelnden Abschnitte aus dem Weltraum studiert? Hundertmal, tausendmal? Und jedesmal hatte er angestrengt versucht, sich an die Reaktion zu erinnern, mit der er als Jugendlicher zum erstenmal die zerstörten Städte betrachtet hatte. Dieser befreiende, lodernde Zorn; die Entschlossenheit, keinen Mitläufer abzugeben, wie die anderen es getan hatten. Ja, er würde im Rahmen des Systems mitarbeiten – sogar eine Laufbahn im verhaßten diplomatischen Dienst einschlagen, dieser kollaborativen Mittlerinstanz zwischen Menschen und Qax. Doch ihm war es dabei nur darum gegangen, einen Weg zu finden, der Menschheit ihren Stolz wiederzugeben.
    Na, Jasoft, fragte er sich; und was ist aus all den hehren Zielen geworden? Wo sind sie abhanden gekommen, in all diesen düsteren Jahren? Parz stocherte in seinen abgestumpften alten Emotionen. Manchmal fragte er sich, ob er überhaupt noch in der Lage war, echte Gefühle zu entwickeln; sogar die zerstörten Städte wirkten jetzt nicht mehr so deprimierend auf ihn und dienten vielmehr dazu, nostalgische Erinnerungen an seine Jugend hervorzurufen.
    Natürlich hätte er die Qax im Bedarfsfall sogar für die biologische Tatsache verantwortlich machen können, daß er älter wurde. Hatten diese nämlich nicht wenige Monate nach ihrer Invasion die Grundlagen der menschlichen AntiSenescence-Technologie zerstört?
    Manchmal fragte sich Parz, wie man sich wohl als AS-konservierter Mensch fühlen würde. Welchen Wert sollte Nostalgie für einen Unsterblichen dann noch haben?
    Ein leises Klingeln lief durch den Raumer und wies Parz darauf hin, daß seine Begegnung mit der Spline-Flotte in weniger als fünf Minuten bevorstehen würde. Parz lehnte sich in seinem Sessel zurück und schloß die Augen; er seufzte leise, als die semi-adaptiven Polster sich der Kontur der Wirbelsäule anpaßten und die schmerzende Rückenmuskulatur massierten, und legte die knochigen, leberfleckigen Hände auf die Brieftasche auf der kleinen Ablage vor sich. Er versuchte, sich auf das baldige Treffen mit dem Gouverneur einzustimmen. Es würde eine schwierige Angelegenheit werden – aber war es jemals einfach gewesen? Parz stand vor der Herausforderung, den Gouverneur irgendwie milde zu stimmen: ihn dazu zu bewegen, angesichts des Wurmloch-Zwischenfalls nicht zu drastischen Maßnahmen zu greifen und das Besatzungsregime nicht weiter zu verschärfen.
    Als ob dies das Stichwort gewesen wäre, schob sich das mehrere Kilometer durchmessende Spline-Flaggschiff des Gouverneurs in sein Blickfeld und ließ die Erde plötzlich ganz klein erscheinen. Parz konnte sich der Wirkung des Anblicks dieses riesigen Schiffes nicht entziehen. Das Flaggschiff war eine Kugel, frei von den Aufschriften und Markierungen, mit denen vor einigen Jahrhunderten die Raumschiffe der Menschheit versehen waren.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher