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Der pfeifende Mörder

Der pfeifende Mörder

Titel: Der pfeifende Mörder
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ich mich mit ihr in Verbindung setzen kann. Ich vergebe sonst ihr Zimmer; Interessentinnen laufen genug herum.«
    Die beiden Beamten sahen einander an.
    »Sie können das Zimmer vergeben«, sagte Leerdam, den Blick auf die mürrische Alte richtend.
    »Wieso? Hat sie denn gesagt, daß sie keinen Anspruch mehr darauf erhebt?«
    »Sie können das Zimmer vergeben«, wiederholte Leerdam.
    »Und ihre Sachen? Was ist mit denen?«
    »Die werden abgeholt.«
    »Von wem?«
    »Von ihren Angehörigen.«
    »Warum nicht von ihr selbst?« fragte mißtrauisch die Alte, in der nun ein gräßlicher Verdacht zu wuchern begonnen hatte.
    »Weil sie dazu nicht in der Lage ist«, erwiderte Leerdam.
    »Ist sie tot?«
    »Zeigen Sie uns ihr Zimmer.«
    »Aber …«
    »Wir müssen ihr Zimmer sehen. Wo ist es?«
    Empört ging die Hauseignerin voraus, stieg vier Treppen hoch und öffnete die Tür zu einem Raum, der die Überraschung Leerdams und Schouwens erregte.
    Ein hübsches, helles, freundliches, zu einem Garten mit Bäumen hin gelegenes Zimmer, das gar nicht so recht zur mürrischen Besitzerin des Hauses passen wollte. Eine solche Relation herzustellen, war aber natürlich Unsinn von den zwei Beamten. Das Zimmer trug ja auch und gerade die Handschrift ihrer Mieterin. Es war ausgestattet mit modernen, niedrigen Möbeln, einem Haargarnteppich, hübschen, alten Stichen an den Wänden und zahlreichen Topfblumen, die herumstanden. Ein keineswegs billiger Sekretär war aufgeklappt, als sei er soeben erst verlassen worden. Das Ganze stellte ein gepflegtes, behagliches Zuhause dar, in das man sich zurückziehen konnte, um sich in der Stille wohl zu fühlen.
    Den Blumen war allerdings anzusehen, daß sie gegossen werden mußten.
    Die polizeiliche Durchsuchung erstreckte sich auf alle Fächer und Schubladen in den Schränken und Tischen, auf den Sekretär, auf die Schreibunterlage, auf Briefe oder Karten, die man zu finden hoffte.
    Nichts, rein gar nichts. Die Ausbeute war gleich Null.
    Als Leerdam und Schouwen vier Stunden später wieder im Dienstzimmer des Kommissärs saßen, letzterer, wie gewohnt, mit einer brennenden Zigarre in der Hand, wußten beide, daß ihnen dieser Mordfall keine Gelegenheit geben würde, sich mit Ruhm zu bedecken.
    Leerdam paffte, Schouwen blätterte in seinem Notizbuch, als erwarte er, daß ihm aus diesem Erleuchtung zuteil würde.
    »Mein Entschluß steht jetzt fest«, stieß der Kommissär plötzlich hervor. »Ich ziehe Amsterdam hinzu. Wir kommen nicht mehr weiter, Wilm.«
    Und der wie immer prompt funktionierende Wilm Schouwen – ein Assistent, wie er im Buche stand – drehte schon an der Wählscheibe des Telefons, um die Verbindung mit der Zentralpolizei herzustellen. Dann hielt er dem Chef den Hörer hin.
    Zweieinhalb Wochen später geschah das, was Leeuwarden schlagartig in den Mittelpunkt einer großen Öffentlichkeit rückte. Inzwischen war natürlich auch schon die ganze Wahrheit über den Fall der vermißten Ruth Kappel bekanntgeworden, aber nun wurde im Morgengrauen bei dem Fischerdorf Holwerd, gegenüber der Insel Ameland, eine neue unbekleidete Frauenleiche angeschwemmt.
    Eine Leiche ohne Kopf.
    Wilm Schouwen, der Nachtdienst gehabt hatte, hetzte zur Wohnung des Chefs und scheuchte ihn aus dem Bett, indem er ihm schon von der Tür aus die Hiobsbotschaft zurief.
    Leerdam stieß einen Fluch aus. Sein Boxergesicht hatte sich schlagartig gerötet.
    »Der gleiche Täter?« fragte er überflüssigerweise.
    Schouwen nickte.
    »Alles deutet darauf hin, ja. Sexualmord. Wieder mit dem Beil. Roh. Wie irrsinnig zugeschlagen. Es muß ein Wahnsinniger sein, der in der Liebesekstase in einen bestialischen Blutrausch gerät. Auch den Namen des Opfers wissen wir …«
    »Wie denn den so rasch?« fiel Leerdam ein. »Hat man auch den Kopf schon?«
    »Nein, aber der Täter übersah eine Kleinigkeit …«
    »Welche?«
    »Das Mädchen trug am Finger einen Ring, in den ihr Name eingraviert war: Lissa Tenboldt.«
    »Woher?«
    »Aus Leeuwarden.«
    »Nähere Beschreibung?«
    »24 Jahre alt, ohne Anhang, Haustochter beim Fabrikanten Fried Eemslor.«
    Der Kommissär hatte sich während des Gesprächs in fieberhafter Eile angezogen. Die Morgenwäsche wurde auf ein Minimum reduziert. Rasieren fiel überhaupt aus. Während Leerdam sich die Krawatte umband, tobte er zwischen Flüchen: »Vor unseren Augen! Das Schwein verhöhnt uns! Noch tappen wir im ersten Fall wie die Blinden umher, da serviert er uns schon den zweiten! Wieder ein
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