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Der pfeifende Mörder

Der pfeifende Mörder

Titel: Der pfeifende Mörder
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Ansehen. Er ist unverheiratet und sehr wohlhabend. Seinen Aussagen ist unbedingt Glauben zu schenken.
    Paul Leerdam, Kommissär
    Den ersten Teil des Berichts unterschrieb der Lumpenhändler Dan Paldoorn. Er war ein mittelgroßer, schlanker, sympathischer Mann mit einer weichen, fast zärtlichen Stimme und etwas femininen Bewegungen. Im ganzen besaß er ein Wesen, das vertrauenerweckend wirkte. Er war gar nicht der Typ eines Lumpenhändlers, sondern ein gewandter, moderner Geschäftsmann, der es verstand, aus dem, was andere Leute wegwarfen, ein gutes Geschäft zu machen. Er unterschrieb das Protokoll und blickte dann entsetzt auf den schaurigen kleinen Haufen, den der Sack und der Mädchenkopf unter demselben bildeten.
    »Kann ich jetzt gehen?« fragte er.
    »Ja. Und haben Sie besten Dank. Sie erwiesen uns einen großen Dienst.«
    Paul Leerdam begleitete Paldoorn hinaus auf den Korridor und suchte dann die Toilette auf. Als er nach wenigen Minuten in sein Dienstzimmer zurückkam, sagte er zu Wilm Schouwen: »Wir müssen sofort die Anatomie und den Erkennungsdienst benachrichtigen.«
    »Ist bereits geschehen. Prof. Vanmoelen wird gleich erscheinen. Auch eine Kommission aus Groningen dürfte schon unterwegs sein. Vanmoelen hat sie hinzugezogen, weil er glaubt, daß dieser Mord so ungewöhnlich und aufsehenerregend für Holland ist, daß die gesamte Polizei Westfrieslands damit befaßt werden sollte.«
    Leerdam unterdrückte einen Fluch, sagte dann aber: »Von mir aus. – Wenn Vanmoelen den Kopf untersucht hat, muß derselbe gewaschen und fotografiert werden. Und dann in alle Zeitungen mit ihm! Text: ›Wer kennt dieses Mädchen? Es wird vermißt!‹ Mehr nicht. Kein Wort von einem Mord. Bloß das nicht! – Vermißt! Der Kopf muß so hergerichtet und geschminkt werden, daß er wie der einer Schlafenden wirkt.«
    Wilm Schouwen notierte sich die Wünsche und wollte das Zimmer verlassen, als auf dem Tisch des Kommissärs das Telefon schellte. Leerdam nahm den Hörer ab … dann wurde sein Gesicht vergnügt, er nickte und warf den Hörer auf die Gabel.
    »Man hat die Mordstelle gefunden, Wilm«, sagte er freudig. »Eine Streife stieß außerhalb Leeuwardens auf ein Grasstück, das trotz des Nebels und der Nässe der letzten Tage noch Spuren alten Blutes aufwies. Außerdem entdeckte man den Fetzen eines Seidenstrumpfes.« Leerdam rieb sich die Hände, sein Gesicht war breit vor Freude. »Der Mörder treibt sich hier in Leeuwarden herum, Schouwen«, sagte er. »Und wenn er das weiterhin tut, wenn er hier lebt, steckt er in der Falle. Die Szenerie in Leeuwarden kann man überblicken. Ich glaube, wir haben leichte Arbeit mit ihm.«
    Das war ein großer Irrtum des Kommissärs Leerdam.
    Da man keinerlei andere Anhaltspunkte hatte, war man darauf angewiesen, das Mordgelände und die Stelle des Ufers, an welcher der Kopf des Mädchens angeschwemmt worden war, genauestens zu untersuchen. Aber bald sah sich Leerdam am Ende seines Lateins. Die Mordstelle war ein Rasenstreifen außerhalb Leeuwardens, dort, wo die letzten Laternen aufhörten, die den Rand der Stadt notdürftig erhellten. Der Kopf aber lag in der Nähe des Fischerdorfes Ferwerd im Sand, also fast 20 Kilometer von der Mordstelle entfernt.
    Paul Leerdam, frierend in seinem Lodenmantel, mit hochgeschlagenem Kragen und tief in die Stirn gezogenem Hut, stapfte durch den nassen, wie Leim an den Schuhen klebenden Ufersand und starrte über das dunstige, fahle Meer.
    »Der Mörder hat den Kopf seines Opfers 20 Kilometer weit transportiert, um sich hier seiner zu entledigen.« Leerdam sah Schouwen an, der neben ihm herging und auf einer Meßtischkarte, die er auf einem Holzbrett trug, die einzelnen Punkte gewissenhaft eintrug. »Stellen Sie sich das vor, Wilm: Da fährt ein Mensch durch den Nebel und hat bei sich den Kopf eines von ihm ermordeten Mädchens. Das ist Bestialität unvorstellbaren Ausmaßes. Und so etwas bei uns in Leeuwarden!« Er setzte sich auf ein Boot, das an Land gezogen war, und hob die Beine aus dem nassen Sand. Sein bulliges Gesicht war vom Meerwind gerötet. »Fassen wir zusammen«, sagte er mürrisch. »Eine unbekannte Tote. Sexualmord. Geköpft. Von einem Fischer aus dem Meer geholt. An der Mordstelle keine Fußspuren mehr, da die Nässe den Boden aufgeweicht hat. Auch am Ufer, im Sand keinerlei Fußspuren, aus demselben Grund keine. Außerdem war Hochflut … der Streifen Sand, wo Dan Paldoorn den Kopf fand, lag also täglich zweimal unter Wasser.
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