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Eine riskante Affäre (German Edition)

Eine riskante Affäre (German Edition)

Titel: Eine riskante Affäre (German Edition)
Autoren: Joanna Bourne
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1
    Katherine Lane
    Hat man am Stehlen erst einmal Gefallen gefunden, kommt man nie wieder davon los. Genau das hatte Papa immer gesagt und ihr dabei einen Klaps auf den Kopf gegeben, um sie wissen zu lassen, wer gemeint war.
    Taschen auszurauben fehlte ihr. Sie vermisste es, die Finger in aller Seelenruhe und Heimlichkeit in fremde Jacken gleiten zu lassen und klug und verstohlen einen Geldbeutel herauszuangeln. Und sie vermisste, was die Krönung des Ganzen war: den Beutel auf dem Straßenpflaster auszuschütten, dass die Münzen nur so klimperten, um sich dann mit den Freunden um die Beute zu scharen und das Geld zu zählen. Sie hatte gelernt, Buch zu führen und sich so einen recht ordentlichen Anteil zu sichern.
    Ein anständiges Leben war nichts im Vergleich dazu. Vielleicht hatte sie sich gerade deswegen zu diesem Unsinn verleiten lassen. Sie war es so verdammt leid, anständig zu sein.
    Es war ein guter Tag für einen Raubzug. Von der Themse kroch Nebel herauf und machte es sich in der Katherine Lane gemütlich. Er schlängelte sich über die Kanäle und lauerte in Ecken, wobei er wie der Fluss roch, also nicht unbedingt nach Götterspeise und Honigwein. Im Nebel konnte sich alles und jeder verbergen … was wohl auch der Fall war.
    »Willkommen daheim, Jess«, flüsterte sie, zog die Kapuze über den Kopf und ging weiter. Der Nachmittag empfing sie mit Nieselregen.
    Im Nebel auf der Katherine Lane räumten die Geschäftsleute ihre Waren in die Läden, schlossen ab und beendeten so einen wenig einträglichen Tag. Auch die Straßenmädchen hatten sich in die Schenken begeben und nicht nur die Seemänner und die Hintergrundgeräusche mitgenommen, sondern auch die kräftigen Farben ihrer Kleider. Immer öfter kam Jess an dunklen Eingängen und ausdruckslosen Fensterläden vorbei. Schon bald würde niemand mehr draußen sein, außer ihr und diesem Kater, der sorgfältig, wenn nicht gar übergründlich, seinen Weg über das Kopfsteinpflaster suchte. Er hatte etwas zu erledigen. Das konnte man ihm ansehen.
    Sie wären unter sich, wenn sie in Sebastian Kennetts Taschen griff.
    Das Letzte, was Papa gesagt hatte, als sie ihn in Hemdsärmeln aus dem Whitby-Lagerhaus zerrten, war: »Mach bloß nicht die Dummheit, mich befreien zu wollen!«
    Papa kannte sie ziemlich gut. Er würde nicht besonders erfreut sein, wenn er das hier herausfand.
    Die Gasse zur Rechten hieß Dark Passage. Wenn das kein hübscher, anschaulicher Name war! Links befand sich Dead Man’s Way. Noch so ein poetisches Glanzstück. Als Kind war Jess barfuß durch dieses Labyrinth geflitzt. Sie kannte jede Straße und jede noch so kleine Gasse, die in die Katherine Lane mündeten. Auf einem ungemütlichen, winzigen Dachboden ein Dutzend Straßen weiter nördlich war sie zur Welt gekommen. Es hatte eine Zeit gegeben, da sie offen und freundlich mit jedem Bettler und Zuhälter dieser Straße geplaudert hatte. In jeder dieser Schenken hätte sie untertauchen können und wäre dazu eingeladen worden, sich am Feuer aufzuwärmen. Nun war sie eine Fremde. Nicht mehr Jess, sondern Miss Whitby. Sie gehörte nicht mehr hierher. Früher hatte ich hier keine Angst.
    Als die Straße sich nach Süden wandte und Richtung Themse abfiel, verlangsamte Jess ihre Schritte und passte auf, wohin sie die Füße setzte. Die Steine waren modrig und glatt. Zudem voller Pfützen. Früher hätte sie Kedger mitgenommen, um Gesellschaft zu haben. An der linken Seite ihres Umhangs, unter dem Ellbogen, befand sich eine Tasche, die extra für ihn dort angebracht worden war. Wenn sie noch ein gutes Stück vor sich hatten, durfte er immer auf ihrer Schulter sitzen, daher fühlte Jess sich jetzt nicht ganz wohl in ihrer Haut. Normalerweise saß er still da, atmete in ihr Ohr und passte auf.
    Dies war nicht der richtige Ort für Kedger. Das hier musste sie allein erledigen.
    Doch sie war nicht allein.
    Mit einem Herzen, das wie ein gefangenes Kaninchen in ihrer Brust herumhüpfte, blieb sie regungslos stehen. Etwas bewegte sich im Schatten, und eine massige Gestalt trat aus dem Dunkel eines Eingangs.
    Trotz seiner Größe kam der Mann auf leisen Sohlen aus der Finsternis auf sie zu. Er trug ein Bleirohr bei sich, und zwar so lässig, als wäre es nicht das erste Mal.
    »Na dann.« Mit einem dumpfen Geräusch schlug er das Rohr quer über die fleischige Innenfläche seiner Hand.
    Der stämmige Mann war etwa fünfzig, wettergegerbt und bekam langsam graues Haar. Von seiner rechten Braue
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