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Der parfümierte Todeshauch

Der parfümierte Todeshauch

Titel: Der parfümierte Todeshauch
Autoren: Léo Malet
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schon mal auf das
Herstellen falscher Dollars verlegte. Wahrscheinlich war es dieser Monsieur X.,
der die Fäden in der Hand hielt, an deren Enden die geheimnisvolle Unbekannte
und der naive Bodin agiert hatten. Aber genauso wie die unbekannte Verführerin
wurde Monsieur X. nie identifiziert. Und von den geklauten fünfzig Millionen in
Wertpapieren wurden gut zwanzig Millionen niemals wiedergefunden. Sie warteten
an einem verschwiegenen Ort darauf, daß die Wogen sich glätteten, um dann
wieder aufzutauchen — wenn sie inzwischen nicht schon den Bach runtergegangen
waren.
    Einige Monate nach Bodins Verschwinden glaubte
die Polizei einen Punkt zu machen, indem sie rein zufällig einen waschechten
Gangster verhaftete: Georges-Joseph-Maurice Legrand, genannt der Große Jo. Er
war schon seit einiger Zeit wegen eines mißlungenen Banküberfalls gesucht
worden. Bei einer Hausdurchsuchung fand man bei ihm zwei Wertpapiere auf den
Namen der Métropolitaine, die aus dem von Bodin unterschlagenen Paket
stammten. Legrand erklärte, er habe sie irgendwo gekauft, konnte aber nicht
sagen von wem. Man glaubte ihm kein Wort, konnte jedoch nicht beweisen, daß er
mit dem Diebstahl irgend etwas zu tun hatte. Der Kerl blieb stumm wie ein
kleiner Fisch, der er am Anfang seiner Verbrecherkarriere gewesen war. Einige
Zeitungen verbreiteten die These, daß Legrand der mysteriöse Monsieur X. sei,
oder doch zumindest die rechte Hand desselben, das Verbindungsglied zwischen
Bodin, der unbekannten Brünetten und Monsieur X.; aber das waren nichts als
Vermutungen. Und nachdem Legrand zu fünf Jahren Knast wegen des vermurksten
Banküberfalls und anderer Lappalien verknackt worden war (was ihn lehren
sollte, seine Coups besser vorzubereiten!), breitete sich Stillschweigen über
den Fall.
    Monsieur Durocher jedoch, der Big Boss der Banque
Métropolitaine Durocher & Cie., lag die Demütigung, eine Schlange
an seinem Busen genährt zu haben, noch immer schwer im Magen. Besonders
schlecht verdaute er — obwohl er von den Versicherungen entschädigt worden war
— , daß zwanzig Millionen in Wertpapieren auf den Namen seiner Bank in der
Weltgeschichte herumgeisterten. Aber was er nun ganz und gar nicht verwinden
konnte, war die Tatsache, daß ihn der mysteriöse Monsieur X. vorgeführt hatte.
Diese Kränkung nahm er ganz persönlich; denn er glaubte an die Existenz von
Monsieur X. Ein Beweis für die Behauptung (auch wenn sie noch so unglaublich
klingt), daß bestimmte Bankiers die blaue Blume der Romantik kultivieren.
    Und aus diesem Grund ließ er mich im Jahr 1967
in seine Bank kommen.
     
     
     
    Seinem Aussehen nach machte Monsieur Durocher,
«der Herr vom Felsen», seinem Namen alle Ehre, mehr als man vernünftigerweise
hätte erwarten können. Vor allem, wenn man berücksichtigte, daß er auf die 70
zuging. Er war ein massiger, kräftiger Kerl, Typ Jahrmarkt-Herkules, mit einem
verbissenen Gesichtsausdruck, den man eigentlich verbieten müßte. Ich hätte ihm
meine Ersparnisse nicht anvertraut (wenn ich welche besessen hätte!), aus
Angst, sie nie mehr seinen Klauen entreißen zu können.
    Als ich sein Allerheiligstes in der Rue du
4-Septembre betrat, drang nur die helle Junisonne durch die geschlossenen
Fenster herein, aber kein Geräusch von draußen. Das war auch gut so, denn drei
Etagen tiefer, auf der Straße und um die Börse herum, schrien sich die
Zeitungsverkäufer die Lunge aus dem Hals, um eine Extraausgabe des Crépuscule anzupreisen, die dem Konkurs der Austro-Balkans gewidmet war. Solch eine
Musik klingt einem Bankier sicherlich nicht angenehm in den Ohren. Als ich also
das Allerheiligste betrat, quälte sich Monsieur Durocher aus seinem Ledersessel
und kam um seinen Schreibtisch herum mit ausgestreckter Hand auf mich zu. Nach
den üblichen Begrüßungsfloskeln stellte er mir einen weiteren Mann vor, der
sich ebenfalls in dem Büro aufhielt und besorgt dreinblickte. Er war so dünn
wie ein Hering und sah so unauffällig aus, daß mir seine Anwesenheit beinahe
entgangen wäre. Wie ich zu verstehen glaubte, handelte es sich um einen
stellvertretenden Boß namens Albert Buard, dem ich (welche Überraschung!) meine
Einladung verdankte. Als nämlich Monsieur Durocher seine Absicht geäußert
hatte, sich an einen Privatdetektiv zu wenden, hatte dieser Buard mich mehr
oder weniger empfohlen. Ich musterte ihn verstohlen, aber aufmerksam, doch
weder seine Gestalt noch sein Gesicht erinnerten mich an einen meiner
ehemaligen Klienten.
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