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Der parfümierte Todeshauch

Der parfümierte Todeshauch

Titel: Der parfümierte Todeshauch
Autoren: Léo Malet
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Mann!
     
     
    Niemand wird mich von meiner Meinung abbringen:
Hätten ehrenwerte Heuchler, angeführt von einer gewissen Marthe Richard, direkt
nach dem Krieg nicht die Freudenhäuser abgeschafft, dann wäre Roland Bodin der
vorbildliche Bankangestellte (Effektenabteilung) geblieben, der er stets
gewesen war — bis zu jenem Tag im Jahre 1960, an dem er sich fünfzig hübsche
Millionen (alter Francs!) in Form von Wertpapieren unter den Nagel riß und
damit verschwand.
    Roland Bodin wurde 1929 geboren. Als sich das
«Verlangen der Natur» in ihm bemerkbar machte, das heißt so mit ungefähr
siebzehn Jahren, hätte er, wenn er einer anderen Generation angehört hätte — zum
Beispiel meiner — , seine Energie und seine Sinne im erstbesten, für derartige
Bedürfnisse eingerichteten Puff abkühlen können. Aber leider schrieben wir das
Jahr 1946, und es gab keine Freudenhäuser mehr! Dem allgemeinen Vernehmen nach
war Roland Bodin ein eher linkischer Blödmann, naiv, schwach und schüchtern,
der mit den Frauen schlecht, um nicht zu sagen überhaupt nicht zurechtkam. Es
wird nicht behauptet, daß er noch Jungfrau gewesen sei, als er — mit inzwischen
über dreißig Jahren — der Frau ins Netz ging, die ihm wohl dermaßen den Kopf
verdreht haben muß, daß sie ihn dazu bringen konnte, die Wertpapiere der Banque
Métropolitaine Durocher & Cie. zu klauen. Jungfrau oder nicht, für
jene Frau stellte er jedenfalls eine leichte, ideale Beute dar. Es ist nicht
bekannt, unter welchen Umständen er sie kennengelernt hat, und man hätte auch
gar nichts von dieser verhängnisvollen Liaison erfahren, wenn Bodin nicht in
der Tasche der Jacke, die in seinem Spind hing und die er bei der Arbeit zu
tragen pflegte (er gehörte zu jenen schrulligen Zeitgenossen), wenn er in
dieser Jackentasche nicht ein Foto vergessen hätte, auf dem jene Frau neben ihm
abgebildet war: eine hübsche Brünette mit einem unverschämten Zug um die
Mundwinkel, nach Freudenhaus-Art. Auf dem Foto hatte der Bankangestellte seinen
Arm besitzergreifend fest um ihre Taille gelegt, doch man mußte kein Experte in
Sachen Psychologie sein, um auf den ersten Blick zu erkennen, daß die Frau den
dominierenden Part spielte. Diese Frau nun wurde ebensowenig wie Bodin
gefunden, so daß man sich fragte, ob sie überhaupt je existiert hatte. Die
Veröffentlichung besagter Fotografie in der Presse rief keinerlei Reaktionen
hervor, veranlaßte niemanden zu einer Zeugenaussage. Außer den Nachbarn des
Hauses, in dem Bodin seit mehreren Monaten in wilder Ehe mit ihr zusammen
gelebt hatte, gab niemand in den Büros der Kripo am Quai des Orfèvres an, daß
er die Frau gekannt habe und daß sie so oder so heiße. So konnte ihre Identität
nie festgestellt werden.
    Aus der Tatsache, daß Roland Bodin nicht
vorbestraft war, zogen die Flics die Schlußfolgerung, daß er von richtigen
Ganoven (von der Frau sowie irgendwelchen Hintermännern) als Werkzeug benutzt
worden war und es einen exzellenten Grund dafür gab, daß er verschwunden blieb:
Man hatte sich seiner entledigt, nachdem er die fünfzig Millionen Kastanien aus
dem Feuer geholt hatte. Die Flics waren zuversichtlich, ihn eines schönen Tages
auf der Seine schwimmen zu sehen, und zwar in einer idyllischen ländlichen
Gegend oder in der Nähe einer Schleuse. Und es schien nicht ausgeschlossen, daß
die schöne Verführerin genau dasselbe Schicksal erleiden würde.
    Trotz dieser brillanten Gedankenverbindungen
kamen die Ermittlungen nicht voran. Um sich nach begangenem Verbrechen einen
kleinen Vorsprung zu verschaffen, hatte Bodin — aus Gesundheitsgründen — zwei
Tage Urlaub beantragt und bekommen. Als die Herren Durocher & Cie. am
dritten Tag den Diebstahl entdeckten, waren dreißig Millionen von den geklauten
fünfzig über zwielichtige Bankiers und Büros bereits wieder an der Börse weiter
veräußert worden. Diese betreffenden Finanzhaie wurden überprüft, jedoch ohne
nennenswerte Resultate. Jede Spur, die verfolgt wurde, endete in einer
Sackgasse. Und das Auftauchen von Monsieur X. war auch nicht gerade dazu
angetan, die Dinge zu erleichtern.
    Monsieur X. war eine Kreuzung aus dem Cousin von
Fantomas und dem Neffen von Arsène Lupin. Er brachte soviel Verwirrung in den
Fall, daß man am Ende nicht mehr wußte, ob er die Erfindung eines Journalisten
war oder tatsächlich existierte. Man stellte ihn als Kopf einer Bande von Gold-
und Devisenschiebern hin, die sich in schwachen Momenten auch
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