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Der parfümierte Todeshauch

Der parfümierte Todeshauch

Titel: Der parfümierte Todeshauch
Autoren: Léo Malet
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jemand vor kurzem hineingeweint, eine Puderdose und einen Lippenstift,
der bewies, daß sie sich durchaus zu schminken pflegte (wenn sie es heute nicht
getan hatte, dann wohl deshalb, weil sie in aller Eile aus dem Haus gerannt
war, aus ihrem eigenen oder aus irgendeinem anderen); ein Päckchen Zigaretten,
ein goldenes Feuerzeug mit den Initialen J. V., Autoschlüssel und ein hübsches
Sümmchen Geld. Außerdem fand ich, in Zellophan verpackt, einen ganz reizenden
Slip und ein Paar Nylonstrümpfe, beides erst vor kurzem erworben.
    Ihre Papiere, bestehend aus dem Personalausweis
und einem Führerschein, verrieten mir den Namen meiner Besucherin (Janine
Valromay) und ihre Adresse: Villa Mogador in Samois, Département
Seine-et-Marne. Ihrem Personalausweis zufolge war sie 1946 geboren, in einem
gottverlassenen Nest im Département Sarthe. Dabei sah sie überhaupt nicht wie
ein Bauerntrampel aus, auch nicht wie eine veredelte Landpomeranze.
Selbstverständlich hatte sie kein Familienbuch bei sich, dem ich Namen und
Berufe ihrer Eltern hätte entnehmen können. Das hätte mir übrigens auch nicht
weitergeholfen. Im Gegensatz zu der durchsichtigen Plastikhülle, in der, Rücken
an Rücken, zwei Fotos steckten: Auf dem einen war Paul Grillat zu sehen (ich
erkannte ihn sofort), der junge Gartenbaurevolutionär, der sich jetzt mit
Ziergärten befaßte und sich frecherweise die Bezeichnung «Mitarbeiter von
Nestor Burma» an den Hut steckte. Das andere Foto zeigte Albert Buard von der Banque
Métropolitaine Durocher & Cie., allerdings mit weit weniger
bekümmertem Gesichtsausdruck als im Leben, ohne jedoch den Eindruck zu
erwecken, als hätte er viel zu lachen.
    Diese beiden Fotos klärten mich über die
Identität des jungen Mädchens auf: Es handelte sich um die Patentochter des
Bankiers, die mit dem talentierten und pfiffigen Landschaftsgärtner «so gut wie
verlobt» war.
    Alles in allem befand sich in der Handtasche
nichts Aufregendes. Doch dann entdeckte ich ganz unten, bescheiden wie ein
Veilchen, noch etwas anderes: einen ganz gewöhnlichen hübschen kleinen
Revolver.
    Hübsch und klein! Das sagt man so daher! In
Wirklichkeit war es eine richtige Kanone, ein Trommelrevolver Kaliber 8, und
dazu noch geladen. Die Zeit — oder schmutzige Hände — hatte die
Elfenbeinverkleidung des Kolbens dunkel gefärbt. Instinktiv schnupperte ich an
dem Revolverlauf. Es roch nach Fett, nach nichts sonst. Die Waffe war
anscheinend seit langem nicht mehr benutzt worden.
    Ich stopfte alles wieder in die Handtasche,
einschließlich Revolver (den ich vorher natürlich entladen hatte), und ging
hinüber, um nach meiner Patientin zu sehen. Sie schlief. Ich legte die Tasche
auf einen Stuhl, und bei dem leisen Geräusch, das ich verursachte, schlug sie
die Augen auf.
    «Geht’s besser?»
    «Ja, danke. Viel besser. Entschuldigen Sie...»
    Sie richtete sich auf und strich sich mit der
Hand durch ihr Haar, um die Unordnung zu beseitigen, was alles nur noch
schlimmer machte. Doch das war egal, sie sah deswegen nur um so niedlicher aus.
Ich fragte mich, warum so ein hübsches Kind, verdammt noch mal, eine Kanone mit
sich herumschleppte und mit einem Windhund wie diesem Paul Grillat ins Bett
stieg, wenn es sich so ergab.
    «Wie wär’s, wenn Sie mir jetzt den Grund Ihres
Besuchs, wie man so sagt, erklären würden?» schlug ich vor.
    «O ja, natürlich», stammelte sie. «Entschuldigen
Sie... Eben noch schien ich es so eilig zu haben, nicht wahr? Und nun...»
    Sie suchte mit den Augen ihre Handtasche. Ich
reichte sie ihr, sie öffnete sie, und für den Bruchteil einer Sekunde schoß mir
der Gedanke durch den Kopf, daß sie vielleicht den Revolver herausholen und ihn
mir auf die Brust setzen würde. Schließlich kann man nie wissen...
    Aber nichts dergleichen geschah. Sie kramte
lediglich die Dinge hervor, die sie benötigte, um sich die Fassade zu
renovieren.
    «Ich seh furchtbar aus», seufzte sie, als sie
sich im Spiegel ihrer Puderdose betrachtete.
    Und während sie sich die Lippen nachzog, fügte
sie hinzu: «So was nennt man schlecht erzogen, nicht wahr?»
    «Was nennt man,
    «Sich zu schminken.»
    «Wer hat Ihnen das denn erzählt?»
    «Madame Karpell.»
    «Kenn ich nicht.»
    «Das ist die Leiterin des Schweizer Internats,
in dem ich war.»
    Jetzt sah sie plötzlich wie ein kleines
Schulmädchen aus. «Man muß nicht alles glauben, was diese Schweizer einem
erzählen», bemerkte ich.
    Sie stieß ein kurzes, etwas
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