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Der parfümierte Todeshauch

Der parfümierte Todeshauch

Titel: Der parfümierte Todeshauch
Autoren: Léo Malet
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gar
nicht, oder? Ich erzähle Ihnen das nur, damit Sie verstehen, daß ich im Herzen
meines Onkels lese wie in einem offenen Buch... Als ich volljährig wurde und
das Internat von Madame Karpell verließ, um in der Villa Mogador zu wohnen, war
er überglücklich, mich bei sich zu haben. Und in den darauffolgenden Monaten
hat sich seine Stimmung nicht verändert. Sicher, manchmal war er ein wenig gereizt,
wie das wohl bei Bankiers manchmal vorkommt. Aber nie war er so wie in letzter
Zeit! Man könnte meinen, daß er richtige Panik hat... Obwohl er sich bemüht, es
zu verbergen... allerdings ziemlich schlecht!»
    «Wovor sollte er denn, Ihrer Meinung nach, solche
Angst haben?» fragte ich.
    «Sie werden mich bestimmt für dumm halten, aber
ich habe Bücher — vielleicht tendenziöse — über die Finanzweit gelesen. Und ich
glaube, in diesen Kreisen zögert man nicht, einen Gegner zu beseitigen, wenn
wichtige Interessen im Spiel sind...»
    «Die , was?»
    «Davon habe ich tatsächlich gelesen.»
    «Der berühmte Pakt und seine Warnung>: Jeder unerlaubte Besitz des vorliegenden Dokuments zieht
Sanktionen nach sich, deren Folgen nicht abzusehen sind, usw. Mit so einem
Passus malt man den Teufel an die Wand. Doch, Sie haben recht: Die Bücher, die
Sie gelesen haben, sind wirklich tendenziös. Aber mal angenommen, Ihre
Befürchtungen erweisen sich als begründet, das heißt, Monsieur Buard hat
wirklich vor irgend etwas Angst: Wie haben Sie sich mein Eingreifen vorgestellt?
Schließlich bin ich kein Hexenmeister!»
    «Tja... Das weiß ich nicht so genau... Ich...
Ich hatte an so etwas wie einen Leibwächter gedacht... um ihn zu beschützen,
vor einer Gefahr von außen... äh... und vielleicht auch vor sich selbst.»
    «Befürchten Sie, daß er Selbstmord begehen
könnte? Haben Sie ihm deshalb den Revolver weggenommen?»
    «Ich weiß nicht... Vielleicht... Aber wenn ihn
ständig jemand überwachen würde... Na ja, ich dachte, Sie würden besser wissen
als ich, was zu tun ist.»
    «Zerbrechen Sie sich darüber nicht den Kopf. Ich
werde tatsächlich schon wissen, was zu tun ist. Und Sie werden sehen, daß alles
nur halb so schlimm ist... Dann werden Sie mir zustimmen müssen, daß die
Phantasie Ihnen durchgegangen ist.»
    «Vielleicht, ja. Vielleicht ist die plötzliche
Veränderung in meinem Leben an allem schuld. Bei Madame Karpell ging es immer
so fröhlich zu, alles war so adrett...»
    «Und bei Monsieur Buard ist das anders?»
    «O, nein! Die Villa Mogador ist sehr angenehm,
sogar im Winter. Die Zimmer sind groß und hell. Aber das Haus liegt einsam,
weitab vom Dorf, und wenn man diesen verwilderten Park sieht...»
    «Wenn Paul Grillat sich erst einmal darum
kümmern wird...»
    «Ja, den Park könnte man verändern. Aber man
kann den Wald dahinter nicht an einen anderen Ort verpflanzen. Er steht da,
lastet mit seinem ganzen Gewicht auf dem Haus.»
    Ich dachte, in Internaten, vor allem in der
Schweiz, überwache man die Lektüre dieser jungen Damen. Jetzt hatte ich den
Eindruck, daß die Bücher von Mutter Radcliffe sich erfolgreich bei Madame
Karpell eingeschlichen und dort große Verwirrung gestiftet hatten.
    «Wissen Sie», sagte ich, «ich betrachte den
Forêt de Fontainebleau mehr als einen öffentlichen Park, als eine etwas zu groß
geratene Grünanlage.»
    «Aber nicht nachts, Monsieur. Da ist der Wald
sehr bedrückend, glauben Sie mir.»
    «Einverstanden. Aber wenn man schläft...»
    «Wenn man schläft, vielleicht; aber ich werde
oft von dem Hund geweckt... Und dann höre ich den Wald, ich spüre ihn...»
    Schon wieder Mutter Radcliffe, dachte ich, mit
einem Hauch von Lady Macbeth.
    «Aber Sie sind doch nicht verpflichtet, da zu
wohnen», warf ich ein. «Sie sind volljährig, und Monsieur Buard hat bestimmt
eine Wohnung in Paris, eine kleine Zweitwohnung, oder?»
    «Ja, er hat eine Wohnung in Paris, in die er nie
einen Fuß setzt. Er fühlt sich nur in der Villa Mogador richtig zu Hause. Und
er liebt das Anwesen so sehr... Ich habe nie gewagt, mich zu beklagen... Warum
ihn mit meinen dummen Kleinmädchen-Ängsten beunruhigen? Er hat schon so genug
Kummer. Aber trotzdem, wenn der Hund mich nachts weckt... mit seinem Geheule...»
    Ein Schauder überlief sie.
    «Er heult gotterbärmlich, und er hört gar nicht
mehr auf, stundenlang...»
    «Wenn ich einen so lauten Köter hätte, würde ich
Zusehen, daß ich ihn loswürde.»
    «Aber er gehört uns gar nicht! Wir haben keinen
Hund. Ich glaube
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