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Der parfümierte Todeshauch

Der parfümierte Todeshauch

Titel: Der parfümierte Todeshauch
Autoren: Léo Malet
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Wenn ich schon einmal mit ihm zu tun gehabt hatte, so
erinnerte ich mich nicht mehr daran. Allerdings sah er mit seinem unauffälligen
Alltagsgesicht eher einem unverheirateten, emsigen Bürohengst ähnlich als einem
wohlhabenden Finanzmenschen. Solche Leute bleiben einem nicht sehr lange im
Gedächtnis.
    Monsieur Buard (um die 50, weiße Haare, die sich
zu lichten begannen) verwandelte für einen Moment seinen besorgten
Gesichtsausdruck in ein Willkommenslächeln, drückte mir die Hand und sagte:
    «Ich habe nicht die Ehre, Sie zu kennen,
Monsieur, doch wir haben gemeinsame Freunde. Ich werd’s Ihnen später erklären.»
    Dann gab er mir mit einer Handbewegung zu
verstehen, daß zunächst Monsieur Durocher das Wort habe. Der saß inzwischen
wieder hinter seinem Schreibtisch — nachdem er mir natürlich einen Platz
angeboten hatte — und war zum Zigarrenverteilen übergegangen.
    «Monsieur Burma», begann er schließlich durch
eine duftende Tabakwolke hindurch, «es handelt sich um folgendes. Ich möchte,
daß Sie für mich eine kleine Beschattung in der Provinz durchführen. Kennen Sie
einen gewissen Georges Legrand, genannt der Große Jo?»
    «Große Jos gibt es beinahe in jeder Stadt»,
erwiderte ich. «Das ist ein weitverbreiteter Spitzname. Hab sogar mal eine Große Jo gekannt. Wie sieht Ihrer aus?»
    «So...»
    Monsieur Durocher nahm ein Foto aus einer
Aktenmappe und schob es in mein Gesichtsfeld. Der Abgebildete hatte die
herrlich dreckige Visage eines Ganoven, einen buschigen Schnurrbart und
Segelohren, und zwischen seinen trägen Lidern blinzelte ein böser Blick
hindurch.
    «Ist mir nicht bekannt», sagte ich. «Ist das der
Mann, den ich beschatten soll?»
    «Ja. Im Moment fertigt er noch Fußmatten im
Zentralgefängnis von Nîmes an.»
    Monsieur Durocher nahm das Foto wieder an sich
und legte es in die Mappe zurück.
    «In ein paar Tagen kommt er raus, dann sollen
Sie sich an seine Fersen heften. Ich glaube, er wird Sie zu interessanten
Gestalten führen... vielleicht sogar zu Monsieur X.... oder zu dem, was von den
Wertpapieren übriggeblieben ist. Übrigens, Sie wissen doch, was uns vor sieben
Jahren passiert ist, nicht wahr?»
    «Nur sehr vage.»
    «1960 hat einer unserer Angestellten, Roland
Bodin, der bis dahin zu unserer vollsten Zufriedenheit gearbeitet hatte, dieser
Lump...»
    Und er begann, mir die Geschichte der
gestohlenen Wertpapiere zu erzählen. Ungefähr hatte es sich so zugetragen, wie
ich es vorher geschildert habe.
    «Dieser Lump!» rief Monsieur Durocher wieder,
diesmal als eine Art Schlußwort. «Sehen Sie sich ihn an! Er hat ein Gesicht,
als könnte er kein Wässerchen trüben...»
    Er zog ein weiteres Foto aus seiner Mappe. Es
war eine Vergrößerung des Privatfotos, das der unredliche Angestellte in seiner
Jackentasche vergessen hatte. Aufgrund dieser Aufnahme hatte man gefolgert, daß
er das Spielzeug eines Diplom-Vamps geworden war. Vor einem ländlichen
Hintergrund lächelte er glücklich in die Kamera. Ihre Fiaare wehten im Wind,
und er hatte sie besitzergreifend — was allerdings, wie schon erwähnt, nicht
von Besitz zeugte — um die Taille gefaßt. Sein nettes Gesicht war das eines
braven Staatsbürgers und endete in einem schlaffen Kinn. Die Willenskraft
dieses Mannes mußte die eines überreifen Camemberts noch übertreffen, wenn auch
nur ein wenig. Von seiner Begleiterin konnte man dergleichen nicht behaupten.
Das bildhübsche Weib wußte bestens für sich zu sorgen, das sah man auf den
ersten Blick. Vor dem Paar — genauer gesagt: zu Füßen des Mannes — lag ein Hund
und starrte ins Objektiv, bereit, sich das legendäre Vögelchen zu schnappen:
Roland Bodin war eine Seele von Mensch mit einem Herz für Tiere. Er hätte sich
damit begnügen sollen. Das ziemlich schiefe Bild war von ihm selbst aufgenommen
worden: Die Schnur des Selbstauslösers hielt er in der Hand. Ich gab das Foto
Monsieur Durocher zurück, der es wieder in die Mappe legte.
    «So!» rief er. «Wenn dieser Legrand bei dem
Diebstahl, wie ich überzeugt bin, seine Hände mit im Spiel gehabt hat, dann
wird er nichts Eiligeres zu tun haben, als zu versuchen, seinen Anteil an der
Beute zu kriegen... und eventuell noch Schweigegeld zu kassieren. Und sollte er
uns zu dem geheimnisvollen Monsieur X. führen, würde mich das nicht wundern.
Was meinen Sie, Burma?»
    Ich meinte, daß der Bankier in seiner Freizeit —
zwischen zwei Börsengeschäften zum Beispiel — zu viele Kriminalromane las. Doch
es wäre
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