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Tief in meinem Herzen

Tief in meinem Herzen

Titel: Tief in meinem Herzen
Autoren: Chantelle Shaw
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1. KAPITEL
    Immer höher wand sich die schmale Straße den Berg hinauf. Der nasse Asphalt glänzte im Licht der Scheinwerfer vor ihnen. Je höher sie kamen, desto stärker schien der Regen zu werden. Vor einer guten Viertelstunde waren sie in Oliena losgefahren. Nach einer weiteren Kehre verschwanden die Lichter der Stadt endgültig aus Beths Blickfeld.
    „Wie weit ist es noch?“, erkundigte sie sich ungeduldig beim Taxifahrer.
    „Sie werden das Castello del Falco … oder das Schloss des Falken, wie Sie sagen würden, gleich sehen“, erklärte er mit starkem italienischem Akzent.
    Beth runzelte die Stirn.
    „Wohnt Mr Piras etwa tatsächlich in einem Schloss?“
    Sie hatte angenommen, der Eigentümer der sardischen Piras-Cossu-Bank hätte sein Zuhause aus einer Laune heraus nach einem Schloss benannt.
    Der Taxifahrer antwortete nicht. Nach einer weiteren Biegung bot sich Beth ein atemberaubender Ausblick auf die grünen Hügel des Gennargentu-Gebirges. Direkt vor ihnen erhob sich eine mächtige Festung. Beth sah nur ihre Umrisse, die sich vor dem dunklen Abendhimmel abhoben. Kurz darauf passierten sie das eiserne Eingangstor und fuhren langsam in den düsteren Innenhof des Schlosses ein. Die Außenwände des Gebäudes wurden indirekt beleuchtet, wodurch es noch gewaltiger wirkte. In der Mitte des Hofes befand sich ein prächtiger Springbrunnen mit grotesk anmutenden Wasserspeiern, die ihr Unheil verkündend entgegenzublicken schienen.
    Während Beth sich verunsichert umsah, beschlich sie eine dunkle Vorahnung. Am liebsten hätte sie den Taxifahrer gebeten, sofort wieder umzukehren. Vielleicht steigerte sie sich bloß in etwas hinein, doch ihre Intuition sagte ihr, wenn sie jetzt ausstiege, würde ihr Leben sich für immer ändern.
    Ein Blick auf das Baby in ihrem Arm erinnerte sie daran, dass es hier jedoch nicht um sie ging. Sie war wegen Sophie nach Sardinien gekommen. Und sie würde jetzt auf keinen Fall einen Rückzieher machen. Seufzend warf sie einen letzten Blick zurück zur Straße, zur vertrauten, sicheren Welt, bevor sie entschlossen die Tür des Taxis öffnete.
    Die Party war in vollem Gange. Von der Galerie aus hatte Cesario Piras alles im Blick. Alle schienen sich gut zu amüsieren. Der Champagner floss in Strömen, und es wurde ausgelassen getanzt. Im Bankettsaal nebenan drängten sich die Gäste um das reichhaltige Buffet.
    Erleichtert stellte er fest, dass der Abend ein voller Erfolg zu sein schien. Seine Angestellten arbeiteten sehr hart. Sie hatten es verdient, als Anerkennung für ihre Dienste im Namen der Piras-Cossu-Bank mit diesem extravaganten Empfang verwöhnt zu werden. Was seine Gäste jedoch nicht wussten, war, dass ihr Chef die Stunden zählte, bis er endlich wieder allein sein durfte. Er bereute es, seine Sekretärin nicht darum gebeten zu haben, die Party auf einen anderen Tag zu verlegen. Donata arbeitete erst seit einigen Monaten für ihn. Sie wusste nicht, dass der dritte März für Cesario ein Datum war, das sich für immer in seine Seele gebrannt hatte.
    Unbewusst strich er mit dem Finger über die tiefe Narbe, die sich von seinem linken Auge über die Wange bis hin zum Mundwinkel zog. Heute waren es genau vier Jahre, seit sein Sohn gestorben war. Der unermessliche Schmerz, den er während der ersten Monate nach der schrecklichen Tragödie empfunden hatte, war nach und nach einer stumpfen Akzeptanz gewichen. An jedem Jahrestag jedoch holte ihn die Erinnerung an den schweren Schicksalsschlag wieder ein. Er hatte gehofft, dass die Party ihn dieses Jahr ein wenig ablenken würde. Doch den ganzen Abend geisterten Gedanken an Nicolo durch seinen Kopf. Es fühlte sich an, als sei es erst gestern passiert. Als bräche sein Herz erneut entzwei.
    Als sich hinter ihm jemand leise räusperte, fuhr er erschrocken herum. Es war sein Butler. Cesarios Gesichtszüge entspannten sich.
    „Was gibt’s, Teodoro?“
    „Eine junge Frau ist soeben eingetroffen und hat nach Ihnen gefragt, Signor.“
    Überrascht warf Cesario einen Blick auf seine Uhr.
    „Warum kommt sie so spät?“
    „Sie wollte nicht zur Party, möchte aber unbedingt mit Ihnen sprechen.“
    Teodoro konnte seinen Widerwillen kaum verbergen, als er an die ärmlich wirkende junge Frau dachte. Nur zögernd hatte er sie hereingebeten. Der strömende Regen draußen hatte ihr Haar vollkommen durchnässt. Sicher tropfte das Wasser von ihrem schäbigen Wollmantel jetzt auf den seidenen Teppich im Salon, wo er sie aufgefordert hatte, zu
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