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Der Liebhaber meines Mannes

Der Liebhaber meines Mannes

Titel: Der Liebhaber meines Mannes
Autoren: Bethan Roberts
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meine Mutter husten, von meinem Vater nichts, atmete ins Laken, das ich mir bis zur Nase gezogen hatte, und dachte, sie kennt ihn nicht so gut wie ich. Ich
weiß,
wie er ist.

 
     
     
     
     
    MEIN LEBEN ALS LEHRERIN an St. Luke begann. Ich tat alles, um Sylvies Bemerkung zu vergessen, und hatte die Ausbildung durchgehalten, indem ich mir vorgestellt hatte, wie stolz Tom auf mich sein würde, wenn er hören würde, dass ich tatsächlich Lehrerin geworden war. Ich hatte eigentlich keinen Grund anzunehmen, dass er stolz auf mich wäre, aber das hielt mich nicht davon ab, mir vorzustellen, wie er von der Polizeischule nach Hause kam, den vorderen Weg zum Haus der Burgess’ entlangging, die Jacke lässig über der Schulter, pfeifend. Wie er Sylvie hochhob und herumwirbelte (in meiner Fantasie waren Bruder und Schwester die besten Freunde), wie er dann ins Haus ging und Mrs Burgess die Wange küsste und ihr ein sorgfältig ausgesuchtes Geschenk gab (den Rosenduft von Coty vielleicht – oder, gewagter, Shalimar), wie Mr Burgess im Wohnzimmer stand und seinem Sohn die Hand schüttelte, sodass Tom vor Freude errötete. Dann erst würde er sich an den Tisch setzen, eine Kanne Tee und einen Sandkuchen vor sich, und würde fragen, wie ich vorankäme. Sylvie würde erwidern: »Sie ist jetzt Lehrerin – ehrlich, Tom, du würdest sie kaum wiedererkennen.« Und Tom würde geheimnisvoll lächeln und nicken, und er würde mit einem Kopfschütteln seinen Tee hin unterschlucken und sagen: »Ich wusste immer, dass sie fähig ist, etwas Nützliches zu tun.«
    Das stellte ich mir vor, als ich an meinem ersten Arbeitstag morgens die Queen’s Park Road hinaufging. Obwohl mir das Blut in den Adern pochte und meine Beine sich anfühlten, als könnten sie jeden Moment nachgeben, ging ich so langsam, wie ich konnte, umnicht zu stark zu schwitzen. Ich war davon ausgegangen, dass es kalt und nass werden würde, sobald das Schuljahr begann, und so hatte ich ein wollenes Unterhemd angezogen und noch eine dicke Fair-Isle-Strickjacke mitgenommen. Tatsächlich war es ein entnervend strahlender Morgen. Die Sonne schien auf den hohen Glockenturm der Schule und brachte die roten Ziegel zum Leuchten, was ihm einen grimmigen Anschein gab, und jede Fensterscheibe starrte mich zornig an, als ich durch das Tor ging.
    Da ich schon sehr früh da war, waren noch keine Kinder auf dem Schulhof. Die Schule war während des Sommers zwei Wochen geschlossen gewesen, dennoch überfiel mich sofort, als ich den langen leeren Flur betrat, der Geruch von süßer Milch und Kreidestaub, vermischt mit Kinderschweiß, der einen ganz speziellen, erdigen Duft hat. Von jetzt an kam ich jeden Tag mit diesem Geruch im Haar und in der Kleidung nach Hause. Wenn ich meinen Kopf nachts auf dem Kissen bewegte, änderte auch der Geruch des Klassenzimmers, der mich wie eine Wolke umgab, seine Lage. Ich habe ihn nie ganz akzeptiert. Irgendwann habe ich mich daran gewöhnt, aber ich habe ihn weiterhin wahrgenommen. Genauso ging es Tom mit dem Geruch der Wache. Sobald er nach Hause kam, zog er sein Hemd aus und wusch sich gründlich. Das habe ich immer an ihm gemocht. Jetzt denke ich, dass er das Hemd für dich vielleicht hätte anlassen sollen, Patrick. Dass du vielleicht den strengen Geruch von Reinigungsmittel und Blut gemocht hättest.
    Als ich an jenem Morgen zitternd im Flur stand, blickte ich nach oben zu dem großen Wandbild des heiligen Lukas; wie er da stand mit einem Ochsen hinter sich und einem Esel im Vordergrund. Mit gütigem Gesicht und ordentlich geschnittenem Bart. Er bedeutete mir nichts. Selbstverständlich dachte ich an Tom, wie er mit entschlossen vorgestrecktem Kinn dagestanden hätte, die Ärmel hochgekrempelt, sodass seine muskulösen Unterarme zu sehen waren, und mir kam der Gedanke, wieder nach Hause zu laufen.Als ich den Flur entlangging, immer schneller, sah ich, dass an jeder Tür ein Schild mit dem Namen eines Lehrers war. Keinen davon hatte ich jemals gehört, keiner klang wie ein Name, den zu tragen ich mir vorstellen konnte. Mr R. A. Coppard MA (Oxon) auf einem. Mrs T. R. Peacocke auf einem anderen.
    Dann Schritte hinter mir und eine Stimme: »Hallo – kann ich Ihnen helfen? Sind Sie das frische Blut?«
    Ich drehte mich nicht um, sondern starrte immer noch auf R. A. Coppard und fragte mich, wie lange ich brauchen würde, um wieder ans andere Ende des Flurs zum Haupteingang und hinaus auf die Straße zu laufen.
    Aber die Stimme ließ nicht locker.
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