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Der Liebhaber meines Mannes

Der Liebhaber meines Mannes

Titel: Der Liebhaber meines Mannes
Autoren: Bethan Roberts
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aber es gab einige, die anderer Meinung waren. Vielleicht ist es Ihnen lieber, dass es entfernt wird?« Sie lächelte. »Wir können dafür sorgen, dass der Hausmeister es wegschafft. Schließlich spricht eine Menge dafür, an Pulten zu sitzen.«
    Ich schluckte und hatte endlich genug Luft, um zu sprechen. »Ich behalte es«, sagte ich. Meine Stimme war sehr leise in dem leeren Klassenzimmer. Plötzlich wurde mir klar, dass ich nur meine Worte, meine Stimme hatte, um diesen Raum zu füllen; und über meine Stimme – davon war ich in dem Moment überzeugt – hatte ich nur wenig Kontrolle.
    »Wie Sie wollen«, zwitscherte Julia und machte auf dem Absatzkehrt. »Viel Glück. Wir sehen uns in der Pause.« Sie salutierte, als sie die Tür schloss, indem ihre Fingerspitzen die abgerundete Linie ihres Ponys streiften.
    Draußen erklangen Kinderstimmen. Ich überlegte, die Fenster zu schließen, um den Lärm auszusperren, aber der Schweiß, den ich auf meiner Oberlippe schmeckte, hielt mich an einem so warmen Tag davon ab. Ich legte meine Tasche aufs Pult, überlegte es mir dann anders und stellte sie auf den Boden. Ich ließ meine Fingerknöchel knacken, sah auf die Uhr. Viertel vor neun. Ich durchschritt den Raum der Länge nach, schaute die abweisenden Ziegelsteine an und versuchte, mich auf irgendeinen Rat aus der Ausbildung am College zu konzentrieren.
Lernen Sie frühzeitig ihre Namen und benutzen Sie sie häufig,
war alles, was mir einfiel. Ich stoppte an der Tür und starrte auf die gerahmte Reproduktion von Leonardos »Die Verkündigung«, die darüber hing. Was, fragte ich mich, würden Sechsjährige damit anfangen? Wahrscheinlich gefielen ihnen die kräftigen Flügel des Engels Gabriel und sie wunderten sich, dass die Lilie so dürr war, genau wie ich. Und wie ich konnten sie wahrscheinlich kaum verstehen, was die Jungfrau gleich durchmachen würde.
    Unter der Jungfrau öffnete sich die Tür und ein kleiner Junge mit schwarzem Pony, der aussah wie ein Stiefelabdruck auf seiner Stirn, erschien. »Kann ich reinkommen?«, fragte er.
    Mein erster Impuls war zu antworten
Ja, oh ja,
um seine Liebe zu gewinnen, aber ich beherrschte mich. Würde Miss Harcourt den Jungen einfach hereinlassen, bevor es klingelte? War es nicht unverschämt von ihm, mich so anzusprechen? Ich blickte ihn von oben bis unten an und versuchte zu erraten, was er vorhatte. Die schwarze Tolle in der Stirn war kein gutes Zeichen, aber seine Augen waren offen und er behielt die Füße auf der anderen Seite des Türrahmens.
    »Du musst warten, bis es klingelt«, antwortete ich.
    Er blickte auf den Boden und einen schrecklichen Moment lang dachte ich, er würde anfangen zu weinen, aber dann knallte er die Tür zu und ich hörte, wie seine Stiefel den Flur hinunterpolterten. Ich wusste, ich sollte ihn dafür zurückholen. Ich sollte ihm nachrufen, sofort anzuhalten und zurückzukommen, um sich eine Strafe abzuholen. Stattdessen ging ich zu meinem Pult und versuchte mich zu beruhigen. Ich musste vorbereitet sein. Ich nahm den Tafelschwamm und wischte die Überreste von »Juli 1957« in der Ecke der Tafel ab. Ich zog die Schublade des Pultes auf und nahm etwas Papier heraus. Ich würde es später vielleicht brauchen. Dann beschloss ich, meinen Füllfederhalter zu kontrollieren. Ich schüttelte ihn über dem Papier und spritzte dabei das ganze Pult mit glänzenden schwarzen Tropfen voll. Als ich darauf herumrieb, bekam ich schwarze Finger. Dann wurden auch noch meine Handflächen schwarz, als ich versuchte, die Tinte von meinen Fingern zu wischen. Ich ging zum Fenster, um die Tinte in der Sonne zu trocknen.
    Während ich mein Pult geordnet und eingerichtet hatte, hatte der Lärm der im Hof spielenden Kinder ständig zugenommen. Es war jetzt so laut, dass die ganze Schule, so kam es mir vor, darin unterzugehen drohte. Ein Mädchen mit ungleichmäßigen Zöpfen fiel mir auf, das ganz allein in der Ecke des Hofs stand, und unwillkürlich trat ich einen Schritt vom Fenster zurück. Sofort verwünschte ich mich für meine Ängstlichkeit. Ich war die Lehrerin. Sie war es, die sich aus meinem Blickfeld entfernen sollte.
    Dann betrat ein Mann mit grauem Mantel und Hornbrille den Hof und ein Wunder geschah. Der Lärm hörte sofort vollständig auf, noch bevor er pfiff. Kinder, die zuvor bei irgendeinem Spiel vor Aufregung geschrien hatten oder sich schmollend unter dem Baum neben dem Eingangstor aufgehalten hatten, liefen herbei und stellten sich ordentlich in
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