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Der Liebhaber meines Mannes

Der Liebhaber meines Mannes

Titel: Der Liebhaber meines Mannes
Autoren: Bethan Roberts
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Marion?«
    Ich hatte keine Antwort.
    Er stand auf und wandte sich zum Gehen. »Ich gehe ins Bett. Es ist spät.«
    Ich sprang vom Stuhl auf, packte ihn am Arm und zwang ihn, mich anzusehen. »Ich werde dir sagen, wozu. Weil ich möchte, dass etwas gesagt wird. Weil ich nicht mehr mit diesem Schweigen leben kann.«
    Es entstand eine Pause. Tom sah hinunter auf meine Hand auf seinem Arm. »Lass mich los.«
    Ich gehorchte.
    Dann durchbohrte er mich mit seinem Blick. »Du kannst nicht mehr mit dem Schweigen leben. Ich verstehe. Du kannst nicht mit dem Schweigen leben.«
    »Nein. Kann ich nicht, nicht mehr.«
    »Du kannst nicht mehr mit dem Schweigen leben und willst, dass ich es breche. Du setzt mich und den kranken alten Mann da drinnen deinen Schimpftiraden aus, meinst du das?«
    »Schimpftiraden?«
    »Ich verstehe jetzt, worum es hier geht. Ich verstehe, warum du den armen Bastard hauptsächlich hierhergeschleppt hast. Damit du ihm eine Standpauke halten kannst, genau wie in der Schule. Du hast es alles aufgeschrieben, was? Eine Liste von Verfehlungen. Ein schlechtes Schulzeugnis. Ist es das, Marion?«
    »So ist es nicht …«
    »Das ist deine Rache, nicht wahr? Das ist es.« Er packte mich an den Schultern und schüttelte mich, heftig. »Findest du nicht, er ist genug bestraft worden? Findest du nicht, dass wir beide genug bestraft worden sind?«
    »Es ist nicht –«
    »Was ist mit
meinem
Schweigen, Marion? Hast du daran jemals gedacht? Du hast keine Ahnung …« Seine Stimme versagte. Er lockerte den Griff und wandte das Gesicht ab. »Herrgott noch mal. Ich hab ihn schon einmal verloren.«
    Wir standen beieinander, beide schwer atmend. Nach einer Weile brachte ich heraus: »Es ist keine Rache. Es ist ein Geständnis.«
    Tom hob eine Hand hoch, wie um zu sagen: Ich will nichts mehr hören.
    Aber ich musste es zu Ende bringen. »Es ist mein Geständnis. Es handelt nur von meinen eigenen Verfehlungen.«
    Er sah mich an.
    »Du hast gesagt, er hat dich vor Jahren gebraucht, und das stimmt. Aber jetzt braucht er dich auch. Bitte, lies es ihm vor, Tom.«
    Er schloss die Augen. »Ich werde darüber nachdenken«, sagte er.
    Ich atmete auf. »Danke.«

 
     
     
     
     
    NACH STARKEM REGEN war es heute Morgen heiter und kalt. Als ich aufwachte, fühlte ich mich merkwürdig erfrischt. Ich war spät ins Bett gegangen, hatte aber tief geschlafen, erschöpft von den Ereignissen des Tages. Ich hatte die gewohnten Kreuzschmerzen, aber ich erledigte meine morgendlichen Pflichten mit
beachtlichem Schwung,
wie du vielleicht sagen würdest, begrüßte dich fröhlich, wechselte deine Bettwäsche, wusch dich und fütterte dich mit flüssigem Wetabix durch einen Strohhalm. Die ganze Zeit über schwatzte ich, erzählte dir, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis Tom sich zu dir setzen würde, und deine Augen beobachteten mich mit hoffnungsvollem Leuchten.
    Als ich dein Zimmer verließ, hörte ich das Wasser im Kessel kochen. Komisch, dachte ich. Tom hatte das Haus wie immer um sechs verlassen, um zu schwimmen, und normalerweise sah ich ihn vor dem Abend nicht wieder. Aber als ich in die Küche kam, war er da und hielt mir eine Tasse Tee hin. Schweigend setzten wir uns zum Frühstück hin, Walter zu unseren Füßen. Tom überflog den »Argus« und ich blickte aus dem Fenster, beobachtete, wie der Regen vom Abend vorher von den Koniferen tropfte. Es war das erste Mal, dass wir zusammen frühstückten, seit dem Morgen, an dem du deine Cornflakes ausgespuckt hattest.
    Als wir mit Essen fertig waren, holte ich mein – wie soll ich es nennen? – Manuskript. Ich hatte es die ganze Zeit in der Küchenschublade aufbewahrt und hatte fast gehofft, dass Tom darauf stoßen würde. Ich legte es auf den Tisch und verließ die Küche.
    Seitdem war ich in meinem Schlafzimmer und habe einen Koffer gepackt. Ich habe nur ein paar notwendige Dinge ausgesucht: Nachthemd, Kleidung zum Wechseln, Kulturbeutel, Roman. Es wird Tom sicher nichts ausmachen, mir den Rest nachzuschicken. Die meiste Zeit habe ich auf meiner einfarbigen Ikeadecke gesessen und dem Gemurmel von Toms tiefer Stimme gelauscht, als er dir meine Worte vorlas. Es ist seltsam, beängstigend, wunderbar, dieses Gemurmel meiner eigenen Gedanken aus Toms Mund zu hören. Vielleicht wollte ich das die ganze Zeit. Vielleicht reicht das.
    Heute Nachmittag um vier öffnete ich vorsichtig deine Tür und blickte hinein auf euch beide. Tom saß ganz nah bei deinem Bett. Um diese Zeit schläfst du
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