Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das 9. Urteil

Das 9. Urteil

Titel: Das 9. Urteil
Autoren: James Patterson
Vom Netzwerk:
1
    Sarah Wells stand auf dem Dach des Carports und schob ihre behandschuhte Hand durch das kleine Loch, das sie in das Glas geschnitten hatte. Ihr Herzschlag dröhnte ihr in den Ohren, während sie die Verriegelung löste, das Fenster nach oben schob und sich leise in das dunkle Zimmer gleiten ließ. Innen angekommen drückte sie sich mit dem Rücken flach gegen die Wand und lauschte.
    Aus dem unteren Stockwerk drangen Stimmen nach oben. Sie hörte das Klirren von Besteck auf Porzellan. Guter Zeitpunkt , dachte Sarah. Um nicht zu sagen, perfekt.
    Doch Zeitpunkt und Ausführung waren zwei vollkommen verschiedene Dinge.
    Sie knipste ihre Stirnlampe an und ließ den Strahl einmal von links nach rechts durch das Schlafzimmer wandern. Sie registrierte das Wandtischchen zu ihrer Linken, das über und über mit allerhand Krimskrams beladen war. Das musste sie gut im Auge behalten, genau wie die Läufer, die überall auf dem glatten Holzfußboden verteilt lagen.
    Mit geschmeidigen Schritten durchquerte die junge Frau den Raum, zog die Tür zum Flur ins Schloss und betrat das Schrankzimmer, das einen kaum wahrnehmbaren Parfümduft verströmte. Die Schranktür nur einen Spaltbreit geöffnet, so ließ Sarah den Strahl ihrer Lampe über die Kleiderregale gleiten. Sie teilte einen Vorhang aus langen, perlenbestickten Nachthemden und sah ihn sofort: ein Safe in der Rückwand.
    Genau darauf hatte Sarah gewettet. Wenn Casey Dowling sich nicht großartig von den meisten anderen Damen der Gesellschaft unterschied, dann machte sie sich für eine Dinner-Party sorgfältig zurecht. Dazu gehörte auch, dass sie ihren Schmuck anlegte. Und den Safe ließ sie unter Umständen offen stehen, damit sie den Schmuck später wieder zurücklegen konnte, ohne erneut die Kombination eingeben zu müssen. Sarah zog leicht am Griff der Safetür … und die schwere Tür schwang auf.
    Sie hatte freie Bahn!
    Aber jetzt musste es schnell gehen. Drei Minuten, mehr nicht.
    Sarahs Stirnlampe leuchtete über den Inhalt des Tresors, sodass sie die Hände frei hatte, um sich durch das Durcheinander aus Satin-Täschchen und seidenumhüllten Kästchen zu wühlen. Ganz hinten entdeckte sie eine Brokatschachtel, ungefähr so groß wie ein kleiner Brotlaib. Sie schob den Riegel beiseite und klappte den Deckel auf.
    Sarah schnappte nach Luft.
    Zwei Monate lang hatte sie alle möglichen Berichte über Casey Dowling gelesen, hatte Dutzende Fotos gesehen, die sie bei irgendwelchen gesellschaftlichen Ereignissen zeigten, beladen mit glitzernden Juwelen. Aber diese Masse an Diamanten und Edelsteinen, diese funkelnden Berge aus pompösen Perlen … damit hatte sie nicht gerechnet.
    EIN WAAAHNSINN. Und alles das gehörte Casey Dowling.
    Na ja, nicht mehr lange.
    Sarah holte Armbänder, Ohrringe und Ringe aus der Schachtel und stopfte sie in einen der beiden kleinen Stoffbeutel, die vor ihrer Brust hingen. Sie verharrte kurz, um einen bestimmten Ring in einem Lederetui etwas eingehender zu bewundern, sich seiner unfassbar fantastischen Wirkung hinzugeben – da ging das Licht im Schlafzimmer an, nur wenige Meter von ihrem Standort im Kleiderschrank entfernt.
    Sarah schaltete ihre Stirnlampe aus und kauerte sich zusammen. Ihr Puls schnellte hoch, als Marcus Dowling, Superstar auf der Theaterbühne und der Kinoleinwand gleichermaßen, leibhaftig und mit dröhnender Stimme das Zimmer betrat, während er sich mit seiner Frau zankte.
    Sarah rollte sich mit ihren ganzen eins zweiundsiebzig hinter den Nachthemden und Kleiderhüllen zu einer Kugel zusammen.
    Gott, war sie dämlich.
    Während sie noch die Juwelen angeglotzt hatte, war die Dinner-Party der Dowlings zu Ende gegangen. Jetzt würde sie wegen schweren Diebstahls hinter Gittern landen. Sie. Englischlehrerin an einer Highschool. Das würde einen Skandal geben – und das war noch das geringste der Probleme.
    Unter ihrer Strickmütze brach Sarah der Schweiß aus. Dicke Tropfen krochen von ihren Achselhöhlen unter ihrem schwarzen Rollkragenpullover entlang, während sie darauf wartete, dass die Dowlings das Schranklicht anknipsten und sie dort in der Ecke kauern sahen – als Diebin in der Nacht.

2
    Casey Dowling versuchte, ihrem Ehemann ein Geständnis zu entlocken, doch Marcus weigerte sich standhaft.
    »Was soll denn der Mist, Casey?«, zischte er. »Ich habe Sheila nicht auf die Titten gestarrt, mein Gott. Jedes Mal, wenn wir uns mit anderen Leuten treffen, fängst du damit an, dass ich angeblich anderen Frauen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher