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Der Liebhaber meines Mannes

Der Liebhaber meines Mannes

Titel: Der Liebhaber meines Mannes
Autoren: Bethan Roberts
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Tag, als er verkündet hatte, dass er zum Versorgungskorps geht, angelächelt hatte, wie seine Oberlippe über seinen Zähnen verschwunden war und seine Augen schmal geworden waren. Tony lächelte mich nicht an, als wir anhielten, um uns Coke zu kaufen. Er fragte, wann ich die Schule verlassen würde, und ich sagte: »Nie – ich werde Lehrerin.« Da blickte er zur Tür, als wäre er am liebsten sofort hinausgefahren.
    Wenig später gingen Sylvie und ich an einem sonnigen Nachmittag in den Preston Park. Wir setzten uns auf eine Bank unter den Ulmen, die wunderschön waren und durch die der Wind rauschte, und sie verkündete, dass sie sich mit Roy verlobt habe. »Wir sind sehr glücklich«, erklärte sie mit einem geheimnisvollen Lächeln. Ich fragte sie, ob Roy mit ihr geschlafen habe, aber sie schüttelte den Kopf und wieder war da dieses Lächeln.
    Eine ganze Weile beobachteten wir die Leute, die mit Hunden und Kindern in der Sonne vorbeigingen. Einige hatten Eiskugeln von der Rotunde. Weder Sylvie noch ich hatten Geld für Eiscreme. Da Sylvie immer noch schwieg, fragte ich sie: »Wie weit seid ihr denn gegangen?«
    Sylvie ließ den Blick durch den Park schweifen und schwang ihr rechtes Bein ungeduldig vor und zurück. »Ich hab’s dir doch gesagt.«
    »Nein. Hast du nicht.«
    »Ich bin in ihn verliebt«, erklärte sie, streckte die Arme aus und schloss die Augen. »Richtig verliebt.«
    Ich konnte das nur schwer glauben. Roy sah nicht schlecht aus, aber er redete zu viel über absolut nichts. Außerdem war er schmächtig. Seine Schultern sahen nicht aus, als könnten sie überhaupt etwas tragen.
    »Du weißt nicht, wie es ist«, sagte Sylvie und sah über mich hinweg. »Ich liebe Roy und wir werden heiraten.«
    Ich starrte auf das Gras unter meinen Füßen. Selbstverständlich konnte ich nicht zu Sylvie sagen: »Ich weiß genau, wie es ist. Ich bin in deinen Bruder verliebt.« Ich hätte mich über jede lustig gemacht, die in einen von
meinen
Brüdern verliebt gewesen wäre, und warum sollte es bei Sylvie anders sein?
    Was sie dann sagte, ließ mich innerlich schaudern und meine Beine zittern. »Ich meine«, sagte sie und sah mich direkt an, »ich weiß, dass du in Tom verknallt bist. Aber das ist nicht das Gleiche.«
    Das Blut stieg mir den Hals hinauf und bis zu den Ohren.
    »Tom ist anders, Marion«, sagte Sylvie. »Das weißt du, oder?«
    Einen Moment lang wollte ich aufstehen und weggehen. Aber meine Beine zitterten immer noch und mein Mund war immer noch zu einem Lächeln verzogen, als wäre es eingefroren.
    Sylvie nickte einem vorbeigehenden Jungen zu, der eine große Eistüte in der Hand hatte. »Wünschte, ich hätte auch so eins«, sagte sie laut. Der Junge drehte sich um und blickte sie kurz an, aber sie wandte sich zu mir und kniff mich sanft in den Unterarm. »Du bist nicht böse, dass ich das gesagt habe, oder?«
    Ich konnte nichts erwidern. Ich glaube, ich brachte ein Nicken zustande. Ich wollte nur nach Hause und gründlich darüber nachdenken, was Sylvie gesagt hatte. Aber man muss mir meine Gefühle angesehen haben, denn nach einer Weile flüsterte Sylvie: »Ich erzähl dir von Roy.«
    Ich konnte immer noch nicht antworten, aber sie fuhr fort: »Ich hab mich von ihm anfassen lassen.«
    Meine Augen wanderten zu ihr. Sie leckte sich die Lippen und blickte zum Himmel. »Es war komisch«, sagte sie. »Ich hab nicht viel gefühlt, nur Angst.«
    Ich durchbohrte sie mit Blicken. »Wo?«
    »Hinter dem Regent …«
    »Nein. Wo hat er dich angefasst?«
    Sie sah mich einen Moment prüfend an, und als sie sah, dassich es ernst meinte, sagte sie: »Du weißt schon. Er hat seine Hand da hingelegt.« Sie warf einen schnellen Blick hinunter auf meinen Schoß. »Aber ich hab ihm gesagt, alles andere muss warten, bis wir verheiratet sind.« Sie streckte sich auf der Bank nach hinten. »Ich hätte nichts dagegen, das ganze Programm durchzuziehen, aber dann wird er mich nicht heiraten, oder?«
    An dem Abend, vorm Einschlafen, dachte ich lange darüber nach, was Sylvie gesagt hatte. Ich stellte mir die Szene immer und immer wieder vor, wie wir beide auf der Bank sitzen, Sylvie mit ihren dünnen Beinen schlenkert, seufzt und sagt: »Ich hab mich von ihm anfassen lassen.« Ich versuchte, die Worte noch einmal zu hören. Sie klar und deutlich zu hören. Versuchte zu verstehen, was sie über Tom gesagt hatte. Aber wie ich die Worte auch drehte, sie ergaben keinen Sinn für mich. Ich lag im Dunkeln auf dem Bett, hörte
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