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Der Liebhaber meines Mannes

Der Liebhaber meines Mannes

Titel: Der Liebhaber meines Mannes
Autoren: Bethan Roberts
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hatte.
    Jedenfalls drehte Miss Monkton ihren Füller, sodass die Kappe klickte, und sagte: »Und wie sind Sie zu diesem Entschluss gekommen?«
    Ich dachte darüber nach.
Ich konnte nicht gut sagen: Ich weiß nicht, was ich sonst tun könnte. Oder: Es sieht nicht so aus, als würde ich heiraten, oder?
    »Ich mag die Schule, Miss.« Während ich das sagte, wurde mir klar, dass es stimmte. Ich mochte das regelmäßige Klingeln, die sauber gewischten Tafeln, die staubigen Pulte voller Geheimnisse, die langen Flure, in denen sich Mädchen drängten, den Terpentingestank im Kunstraum, das Geräusch des Bibliothekskatalogs, wenn er durch meine Finger glitt. Und plötzlich stellte ich mir mich selbst vorne im Klassenzimmer vor, in einem schicken Tweedrock und mit einem hübschen Nackenknoten, wie ich den Respekt und die Zuneigung der Schüler gewann, weil ich streng, aber gerecht war. Damals hatte ich keine Vorstellung davon, wie autoritär ich werden würde oder wie das Unterrichten mein Lebenverändern würde. Du hast mich oft herrisch genannt und du hattest recht; durchs Unterrichten wird man darauf gedrillt. Du oder sie, verstehst du; man muss sich behaupten. Das habe ich schon früh gelernt.
    Miss Monkton lächelte auf ihre spöttische Art. »Es ist etwas ganz anderes von der anderen Seite des Pultes aus.« Sie machte eine Pause, legte den Füller hin und drehte sich zum Fenster. Ohne mich anzusehen, sagte sie: »Ich möchte Ihren Ehrgeiz nicht dämpfen, Taylor, aber zu unterrichten erfordert ungeheuer viel Hingabe und beachtliches Rückgrat. Nicht, dass Sie keine ordentliche Schülerin sind. Aber ich würde denken, etwas im Büro wäre eher Ihre Sache. Vielleicht etwas, wo es ein bisschen ruhiger zugeht?«
    Ich starrte auf die Milchspur auf ihrem kalt werdenden Tee. Abgesehen von der Teetasse war ihr Pult vollkommen leer.
    »Was, zum Beispiel«, fuhr sie fort und drehte sich mit einem schnellen Blick zur Uhr über der Tür wieder zu mir, »halten Ihre Eltern von der Idee? Sind sie bereit, Sie bei diesem Vorhaben zu unterstützen?«
    Ich hatte Mum und Dad gegenüber noch nichts davon erwähnt. Sie konnten zuerst kaum glauben, dass ich aufs Gymnasium gekommen bin; mein Vater hatte sich über die Kosten der Schuluniform beklagt, als er davon hörte, und meine Mutter hatte auf dem Sofa gesessen, den Kopf in die Hände gelegt und geweint. Ich hatte mich zuerst gefreut, weil ich annahm, dass sie vor Stolz über meine Leistung zu Tränen gerührt war. Aber als sie nicht aufhörte und ich sie fragte, was los wäre, sagte sie: »Es wird jetzt alles anders werden. Dadurch wirst du uns weggenommen.« Und danach beschwerten sie sich fast jeden Abend, dass ich zu viel Zeit in meinem Zimmer mit Lernen verbrachte, statt mich mit ihnen zu unterhalten.
    Ich blickte Miss Monkton an. »Sie stehen hinter mir«, verkündete ich.

 
     
     
     
     
    WENN ICH IN DIESEN HERBSTTAGEN über die Felder zum Meer blicke, wenn sich das Gras im Wind wiegt und die Wellen klingen wie erregter Atem, erinnere ich mich daran, dass ich einmal starke, verborgene Empfindungen hatte, genau wie du, Patrick. Ich hoffe, dass du mich verstehen wirst, und ich hoffe, dass du mir vergeben kannst.
    Frühling 1957. Nachdem er seinen Wehrdienst beendet hatte, war Tom noch immer fort, um eine Ausbildung zum Polizisten zu machen. Ich dachte häufig mit freudiger Erregung daran, dass er zur Polizei ging. Es schien so mutig und erwachsen. Ich kannte niemanden, der so etwas tun würde. Bei uns zu Hause war die Polizei ziemlich suspekt – nicht gerade der Feind, aber eine unbekannte Größe. Ich wusste, als Polizist würde Tom ein anderes Leben als unsere Eltern führen, ein mutigeres, einflussreicheres.
    Ich machte die Lehrerausbildung am College in Chichester, sah Sylvie aber ziemlich oft, obwohl ihre Beziehung zu Roy enger wurde. Einmal wollte sie mit mir zur Rollschuhbahn, aber als ich ankam, tauchte sie mit Roy und einem anderen Jungen namens Tony auf, der mit Roy in der Autowerkstatt arbeitete. Tony war anscheinend nicht in der Lage, viel zu reden. Jedenfalls nicht mit mir. Hin und wieder rief er Roy etwas zu, während wir herumfuhren, aber Roy reagierte nicht immer, weil seine Augen von Sylvies gefangen waren. Es schien, als könnte er nirgendwo sonst hinsehen, nicht einmal, wohin sie fuhren. Tony hielt mich nicht am Arm, während wir herumfuhren, und so gelang es mir einige Male, ihnzu überholen. Während ich Rollschuh lief, dachte ich daran, wie Tom mich an dem
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