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Dunkle Wünsche

Dunkle Wünsche

Titel: Dunkle Wünsche
Autoren: Carter Brown
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ERSTES KAPITEL
     
    D er Tag war viel zu schön, um an Mord zu
denken. Die großen Wogen des Pazifischen Ozeans rollten donnernd herein und
zerbarsten am Strand in tausend kleine Schaumrinnsale. Der Himmel war azurblau,
die Sonne heiß, und ich träumte davon, den Rest des Tages am Strand liegend zu
verbringen, eine Meerjungfrau im Bikini neben mir; aber Träume sind für
Burschen wie mich, die auf ihr Monatsgehalt angewiesen sind, nur eine Eingebung
des Augenblicks. Also stieg ich aus dem Wagen und ging zur Veranda hinauf. Das
kleine Haus schien ein wenig zur Seite geneigt zu sein, als ob es sich im Kampf
gegen die Ozeanwinde schließlich unterworfen hätte.
    Es
roch kräftig nach Geißblatt, was eigentlich romantische Gefühle hätte auslösen
sollen, aber der Geruch schlägt sich mir immer auf die Stirnhöhle. Ich drückte
den Finger auf den Klingelknopf und wartete etwa fünfzehn Sekunden, bevor sich
die Tür öffnete und ein dunkelhaariges Mädchen mich aus erregten Augen
anstarrte. Zumindest erschien mir das so, trotzdem hatte ich den Eindruck, als
ob sie nicht ganz klar sehen könne.
    »Scharlachrot,
so ist die Schande Elinors«, sagte sie mit somnambul wirkender Stimme. »Braun
die Farbe ihrer blutbefleckten Brust.«
    »Ich
bin Lieutenant Wheeler vom Büro des Countysheriffs.« Ich zog meine Dienstmarke
heraus und fuchtelte damit hoffnungsvoll vor ihrem Gesicht herum, als handle es
sich um eine Art Talisman gegen den bösen Blick.
    »Kein
Herzschlag tönt, die Schleier modern«, fuhr sie mit derselben gespenstischen
Stimme fort. »Oh, feuchter dunkler Sarg in fauler Erde! Kommt, tanzt den
Totentanz — «
    »Es
reimt sich nicht«, sagte ich verzweifelt.
    »Freies
Versmaß soll sich gar nicht reimen.« Sie warf mir erneut einen Blick zu,
blinzelte, und dann wurden ihre Augen allmählich etwas klarer. »Wie, sagten
Sie, heißen Sie noch?«
    »Wheeler,
Lieutenant Wheeler — «
    »-
vom Büro des Countysheriffs«, beendete sie. »Der erste von vielen, nehme ich
an.«
    »Wie
bitte?« murmelte ich.
    »Arme
Elinor!« Sie schüttelte traurig den Kopf. »Trübe, graue Polizeibeamte, die auf
ihre Nacktheit schielen — kurzsichtige Chirurgen, die ihre Messer in ihre
Organe senken — und ein Leichenbestatter mit schweißigen Händen, der das, was
übrig ist, verschönt.« Ihre dunklen Augen waren plötzlich verächtlich. »Sie
wollen sie jetzt vermutlich sehen?«
    »Vermutlich«,
sagte ich vorsichtig.
    Sie
fuhr sich mit einer Hand durch das lange dunkle Haar, das wirr über ihre
Schultern fiel, während sie überlegte, ob sie mich ins Haus hineinlassen solle.
Das gab mir ein wenig Zeit, mich von den Kaskaden freien Versmaßes zu erholen
und einen neuerlichen Blick auf sie zu werfen, der nicht vergeudet war. Sie war
schätzungsweise Anfang Zwanzig und hatte ein Gesicht, das nicht hübsch, aber
gerade einen Finger breit unter der Bezeichnung »schön« lag. Ein schwarzer
Orlonpullover modellierte die Fülle ihrer Brüste mit der Sorgfalt des
Bildhauers für Einzelheiten heraus, und sie trug verblichene Blue Jeans, die in
einem Ausmaß eingegangen waren, daß sie, so wie sie sich um ihre
Stundenglashüften und die vollen runden Schenkel schmiegten, wirklich
interessant wirkten. Irgendwo tief in ihr mußte ein heftiger Narziß-Komplex
verborgen sein, jedenfalls nach dem zu urteilen, wie sie dauernd Kontakt zu
ihrem eigenen Körper herstellte. Im Augenblick zum Beispiel glitten die Finger
ihrer rechten Hand sanft durch das lange Haar, während die Finger der anderen
Hand sanft über die Rundung ihrer Hüfte glitten und dann zerstreut an ihren
Schenkeln herumfingerten. Ihrem Gerede nach war sie eine verdrehte Nudel, aber
das konnte auch der Schock sein. Vielleicht hatte ich Gelegenheit,
dahinterzukommen, wenn sie — und ich drückte mir dabei im Geist den Daumen — sich
einmal beruhigte.
    »Ich
kann Sie wahrscheinlich nicht davon abhalten, hereinzukommen, oder?« sagte sie
plötzlich. »Die schmutzige, verrottete, stinkende Welt wird sich nicht damit
zufriedengeben, sie vernichtet zu haben. Nicht wahr? Auch wenn sie tot ist, hat
sie das Ritual der Zurschaustellung vor dem neugierigen und skandalsüchtigen
Publikum über sich ergehen zu lassen. Nicht wahr?«
    »Ich
bin lediglich ein Polizeibeamter«, sagte ich milde. »Wenn jemand ermordet
worden ist, werde ich dafür bezahlt, daß ich herauszufinden versuche, wer es
getan hat.«
    »Ja.«
Sie nickte flüchtig, während ihre Rechte geistesabwesend den Ansatz der
fülligen
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