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Der Liebhaber meines Mannes

Der Liebhaber meines Mannes

Titel: Der Liebhaber meines Mannes
Autoren: Bethan Roberts
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unserem Reihenhaus oben in der Islingwood Street blickten, waren unsere eigenen Spiegelbilder in den Fenstern der Nachbarn. Trotzdem. Ich war nicht wild darauf, dort wegzuziehen.
    Ich vermute, als du vor einer Woche aus dem Krankenhaus hier ankamst und Tom dich aus dem Auto in deinen Rollstuhl gehoben hat, hast du genau dasselbe gesehen wie ich: den gleichmäßigen braunen Putz, den unglaublich glatten Kunststoff der doppelt verglasten Tür, die ordentliche Koniferenhecke, die das Grundstück umgibt, und das alles wird dich mit Schrecken erfüllt haben, genau wie mich. Und dann der Name: »Bei den Kiefern«. So unpassend, so einfallslos. Wahrscheinlich brach dir kalter Schweiß im Nacken aus und dein Hemd fühlte sich plötzlich unangenehm an. Tom hat dich den Weg zur Haustür entlanggefahren. Du wirst bemerkt haben, dass jede Gehwegplatte ein vollkommen ebenes Stück rosa-grauen Betons ist. Als ich den Schlüssel ins Schloss steckte und »Willkommen« sagte, hast du deine schlaffen Hände gerungen und dein Gesicht zu einer Art Lächeln verzogen.
    Beim Hereinkommen in den beige tapezierten Flur wirst dudas Reinigungsmittel gerochen haben, das ich benutzt habe, als ich alles für deinen Aufenthalt bei uns vorbereitet habe, und wohl auch den Geruch von Walter, unserem Collie-Mischling, der darunter lauert und sich nicht vollständig beseitigen lässt. Beim Anblick unseres gerahmten Hochzeitsfotos hast du leicht genickt. Tom in dem wunderschönen Anzug von Cobley, den du bezahlt hast, und ich mit dem steifen Schleier. Wir setzten uns ins Wohnzimmer, Tom und ich auf die neue braune Samtgarnitur, die wir von dem Geld gekauft hatten, das Tom als Abfindung beim Renteneintritt erhalten hatte, und lauschten dem Ticken der Zentralheizung. Walter hechelte an Toms Füßen. Dann sagte Tom: »Marion wird dir helfen, dich einzurichten.« Ich sah, wie du angesichts Toms Entschlossenheit zu gehen zusammenzucktest, wie du weiter die Tüllgardinen anstarrtest, als er mit den Worten: »Ich hab noch was zu erledigen«, mit großen Schritten zur Tür ging.
    Der Hund folgte ihm. Wir beide saßen da und lauschten Toms Schritten im Flur, dem Rascheln, als er seinen Mantel vom Haken nahm, dem Klimpern, als er in seiner Tasche nach den Schlüsseln suchte. Wir hörten, wie er Walter leise befahl zu warten, und dann nur noch das Geräusch des Luftzugs, als er die doppelt verglaste Haustür öffnete und den Bungalow verließ. Als ich dich schließlich ansah, zitterten deine schlaff auf den knochigen Knien liegenden Hände. Hast du da gedacht, dass endlich bei Tom zu sein vielleicht doch nicht das ist, wovon du geträumt hast?

 
     
     
     
     
    ACHTUNDVIERZIG JAHRE . So lange liegt meine erste Begegnung mit Tom zurück. Vielleicht sogar noch länger.
    Damals war er so zurückhaltend.
Tom.
Sogar der Name ist solide, einfach, aber es klingt auch Sensibilität durch. Er war kein Bill, kein Reg, kein Les oder Tony. Hast du ihn jemals Thomas genannt? Ich wollte es gerne. Es gab Momente, da wollte ich ihn umtaufen.
Tommy.
Vielleicht hast du ihn so genannt, den hübschen jungen Mann mit den starken Armen und den dunkelblonden Locken.
    Ich kannte seine Schwester vom Gymnasium. In der zweiten Woche dort kam sie auf dem Gang zu mir und sagte: »Ich dachte mir, du bist ok, willst du meine Freundin sein?« Bis dahin waren wir, sie und ich, immer allein geblieben, verwirrt von den seltsamen Schulritualen, den hallenden Klassenräumen und dem Stimmengewirr der anderen Mädchen. Ich ließ Sylvie die Hausaufgaben abschreiben und sie spielte mir ihre Schallplatten vor: Nat King Cole, Patti Page, Perry Como. Wir summten »Some enchanted evening, you may see a stranger«, während wir am Ende der Reihe anstanden und alle anderen Mädchen beim Pferdspringen vorließen. Keine von uns mochte Sport. Ich ging gerne zu Sylvie nach Hause, weil Sylvie bestimmte Sachen hatte und ihre Mutter sie ihre spröden blonden Haare so tragen ließ, wie es eigentlich zu alt für sie war. Ich glaube, sie half ihr sogar dabei, den Pony zu einer Schmachtlocke zu legen. Mein Haar, rot wie es immer war, war damals noch zu einem dicken Zopf auf dem Rücken geflochten. Wenn ich zu Hause die Beherrschung verlor – ich erinnere mich, dass ich einmal meinem Bruder Fred mit einiger Wucht die Türan den Kopf knallte –, sah mein Vater meine Mutter an und sagte: »Das ist das Rote in ihr«, denn die roten Haare kamen von Mutters Seite. Ich glaube, du hast mich einmal »die rote Gefahr«
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