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Sherlock Holmes und das Druidengrab

Sherlock Holmes und das Druidengrab

Titel: Sherlock Holmes und das Druidengrab
Autoren: Alisha Bionda
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EINE STUDIE IN BLUT
    Desirée Hoese

    In meinen Berichten habe ich meinen Freund Sherlock Holmes oft als fühllos, als menschliche Maschine bezeichnet. Dabei ist es nicht so, dass ich Sie, meine lieben Leser, bewusst hätte täuschen wollen. Vielmehr ist dieser Fehler wohl eher einem blinden Fleck in meiner Wahrnehmung geschuldet – einem Nichtverstehen. Heute sehe ich, dass mein Freund auch auf dem Gebiet der Gefühle, ebenso wie auf seiner immerwährenden Suche nach Herausforderungen für seinen scharfen, ruhelosen Verstand, grenzenlos und exzessiv ist – bis hin zur Selbstzerstörung. Noch während ich hier sitze und diese Worte schreibe, kämpfe ich gegen die nagende Furcht, dass meine Erkenntnis zu spät kommt, um meinen Freund zu retten.

    Seufzend legte ich den Stift beiseite und überflog die Zeilen, die ich soeben geschrieben hatte. „Pathetisch“, hörte ich Holmes’ Stimme in meinem Kopf. „Watson, Sie neigen zu romantischen Übertreibungen. Ihre Leser werden noch ein falsches Bild von mir bekommen.“ Im Geiste sah ich ihn vor mir, die dünnen Lippen zu einem spöttischen Lächeln verzogen und mit erhobenen Augenbrauen. Es war dieser Gesichtsausdruck, der den guten Lestrade binnen Sekunden zur Weißglut bringen konnte. 
    Ich sah auf und zum Fenster. Jenseits des Glases dämmerte es bereits und beklommen fragte ich mich, ob ich meinen Freund an sie verloren hatte. Einst hatte Holmes sie als die Frau bezeichnet und für ihn war sie stets einzigartig und die Eine geblieben. Hatte er sie geliebt? Ihre Unerschrockenheit, ihren scharfen Verstand, dem seinen so ähnlich? Bis vor kurzem hätte ich es verneint, doch nun ... 
    Mir schien, dass dieser in privaten Angelegenheiten so verschlossene Mann selbst mich getäuscht hatte. Nicht dass es nun noch einen Unterschied machte. Irene Adler gab es nicht mehr, Verstand und Herz dieser Frau waren erloschen, nein, ausgelöscht worden, von einem Feind, bösartiger noch als der verfluchte Moriarty – und zurückgeblieben war nur eine hübsch anzusehende Hülle und ein Hunger, der die einst Einzigartige zu einem Ungeheuer reduzierte. 
    In diesem Augenblick war Holmes dort draußen, irgendwo in dem riesigen Moloch London, und suchte eine Konfrontation, die für ihn nur tödlich enden konnte. 

    Noch vor zwei Tagen hatte nichts darauf hingedeutet, dass London am Rand einer Katastrophe stand, gewaltig genug, um die Metropole unabwendbar in den Abgrund zu reißen. Nein, ich muss mich korrigieren, vor zwei Tagen ahnten Holmes und ich gemeinsam mit Millionen anderer Bürger nichts von der drohenden Gefahr. Zeitgleich hatte sich tief in den Eingeweiden der Stadt schon lange die Kunde verbreitet. Doch die, die davon wussten, schwiegen und selbst das ausgeklügelte Informationsnetz meines Freundes versagte gegen die Mauer aus Schweigen und Furcht. Ohne es zu ahnen, war Holmes dem Fall bereits seit Wochen auf der Spur, nur hatte er die Zusammenhänge nicht erkannt, doch wie hätte er das auch sollen? Das Ganze war so verrückt, so gespenstisch, dass nur ein Wahnsinniger auf die Lösung gekommen wäre. 
    Einwanderer, Prostituierte und Bettler verschwanden plötzlich und ohne Spuren zu hinterlassen. Als die Londoner bemerkten, dass der Nacht die gefallenen Frauen und dem Tag die elenden Jammergestalten fehlten, die lauthals um das Mitgefühl und die Almosen der Vorbeieilenden buhlten, da kümmerte es sie nicht. Die Bettler lebten in den Straßen, jedoch nicht in den Herzen der Menschen und wer die Nachtblumen vermisste, beklagte ihr Fehlen nicht öffentlich. Die Londoner Schattenwelt hatte einen Schlag erlitten, ohne die Hand zu kennen, die ihn geführt hatte. Eine unheimliche Ruhe war eingetreten, die ahnen ließ, dass der folgende Sturm nur umso heftiger ausfallen musste. Zum ersten Mal, seit ich ihn kannte, war mein Freund Sherlock so ahnungslos wie alle anderen. Ein Zustand, der an seinen Nerven zerrte und ihn zu einem anstrengenden Mitbewohner machte. Mehr als er es sonst schon war.
    Zu allem Überfluss war der Sommer ungewöhnlich heiß und ich sehnte mich nach einem Gewitter. Nicht nur als Wetterereignis, sondern als reinigende Kraft in unserem Heim. Holmes hatte es geschafft, dass Mrs Hudson nicht mehr zu uns hochkam und alles nur noch in der Küche bereitstellte, wo ich es abholen musste. 
    Holmes’ sarkastische Bemerkungen ließen jeden Charme vermissen und schnitten mit der Präzision von chirurgischen Werkzeugen unter die Haut. Die Hitze seines Temperaments
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