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Der Letzte Bus Nach Woodstock

Der Letzte Bus Nach Woodstock

Titel: Der Letzte Bus Nach Woodstock
Autoren: Colin Dexter
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können verlorengehen, in die falschen Hände geraten – mit einem Wort, ein Brief kann einen unter Umständen in Teufels Küche bringen. Die kryptischen Zeilen dagegen, die er fabrizierte, waren für jeden Außenstehenden völlig harmlos und nichtssagend. Sehr günstig für ihn.«
    »Und wann ist Ihnen zum erstenmal der Verdacht gekommen, daß Miss Widdowson es gewesen sein könnte?« fragte Lewis behutsam – ihm war inzwischen einiges klargeworden.
    Morse sah bedrückt vor sich hin und trommelte mit der Linken leise auf die Schreibtischplatte. »Es war zunächst nur ein langsames Sich-Vortasten, ein fast unbewußtes In-Beziehung-Setzen der verschiedenen Informationen, bis sie sich dann sehr allmählich verdichteten zu einem konkreten Verdacht. Erst letzten Freitag war ich meiner Sache dann sicher. Manche dieser Informationen schienen zunächst, für sich genommen, ganz bedeutungslos, und ich gelangte auch nur mehr oder weniger zufällig in ihren Besitz. So entdeckte ich zum Beispiel, als ich in der Volkshochschule in Headington die Anwesenheitsliste durchsah, um festzustellen, ob Margaret Crowther am Abend des 29. am Unterricht teilgenommen hatte, daß eine gewisse Mrs. Josephine Palmer ebenfalls diesen Kurs belegt hatte. Es war ein Faktum, das meine Ermittlungen nicht direkt berührte, das ich aber ganz automatisch irgendwo speicherte. Zur selben Zeit war ich gerade auf den Gedanken gekommen, den Widerspruch, daß Crowther einerseits an Jennifer Coleby geschrieben hatte, andererseits aber, wie sich Montag letzter Woche bei der Gegenüberstellung zeigte, offenbar keinerlei Beziehung zu ihr unterhielt, so aufzulösen, daß Jennifer nur pro forma die Empfängerin des Briefes war, ihn in Wirklichkeit aber an eine andere weitergab. Als ich erst einmal soweit war, überlegte ich als nächstes, wie das Verhältnis zwischen ihr und diesem anderen Mädchen aussehen mochte, das ihr doch zumindest ein gewisses Maß an Vertrauen in ihre Diskretion entgegenbringen mußte. Gab es vielleicht irgend etwas, das dies begünstigte? Konnte es sein, daß sie sich in einer ähnlichen Situation befanden, daß Jennifer vielleicht ebenfalls eine Beziehung zu einem verheirateten Mann unterhielt? Als ich an diesem Punkt angelangt war, fiel mir Mrs. Palmer wieder ein, die an jedem Mittwochabend in Headington ihren Kurs besuchte, so daß ihr Mann, Jennifers Chef … Es wäre doch nicht das erste Mal, daß ein Chef mit einer Untergebenen ein Techtelmechtel anfängt. Und dann ging ich in Gedanken die Mädchen in Jennifers Umgebung durch. Ihre Kolleginnen, ihre Mitbewohnerinnen Mary und Sue … Sue Widdowson. Und da paßten auf einmal ganz viele Dinge zusammen. Ich halte Jennifer für keine sehr emotionale Frau, sondern für jemanden, der bei allem, was er tut, seinen Vorteil im Auge hat. Wenn Jennifer Sue den Gefallen tat, Briefe für sie in Empfang zu nehmen, dann bestimmt nicht nur aus Uneigennützigkeit. Es gab nämlich durchaus etwas, etwas sehr Wichtiges sogar, das Sue Widdowson ihr verschaffen konnte. Jennifer und Palmer wollten irgendwo die Möglichkeit haben, miteinander allein sein zu können. Mary war viel zu Hause, aber immer, wenn sie wegging, richtete Sue es so ein, daß sie auch etwas vorhatte, so daß Jennifer und Palmer das Haus für sich hatten …«
    »Aber wieso …« Lewis dachte an den Abend des 29. September. Irgend etwas stimmte doch da nicht … Natürlich! »Wieso brauchte Jennifer dann am 29. ihr Auto? Sie hätte Palmer doch zu sich nach Hause einladen können. Jennifer hat uns doch selbst gesagt, daß Mary sich an dem Abend irgendeinen Film ansah, und Sue Widdowson …«
    »Bravo, Lewis! Aus Ihnen wird noch ein richtiger Detektiv.« Morse stand auf und klopfte seinem Sergeant halb anerkennend, halb ironisch auf die Schulter. Er sah aus dem Fenster. Die dunklen Wolkenbänke rückten langsam ab nach Westen. Es hatte aufgehört zu regnen, und nichts störte die spiegelglatte Ruhe der Pfützen im Hof. »Das war auch wieder nur eine von Jennifers Lügen. Mary war zu Hause. Ich habe sie gefragt. Aber selbst wenn sie weg gewesen wäre, hätte das an der Tatsache, daß Jennifer an dem Abend unbedingt ihr Auto brauchte, nicht sehr viel geändert. Ich bin ziemlich sicher, daß zwischen Sue und ihr eine Vereinbarung bestand, der zufolge ihr die Aufgabe zufiel, Sue – wenn sie eine Verabredung mit Crowther hatte – zu ihrem Treffpunkt zu chauffieren.«
    »Aber Sue Widdowson und Crowther hätten doch auch …«
    »Sie meinen,
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