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Der Letzte Bus Nach Woodstock

Der Letzte Bus Nach Woodstock

Titel: Der Letzte Bus Nach Woodstock
Autoren: Colin Dexter
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warum sich die beiden nicht auch in der Charlton Road getroffen haben, wenn sich die Gelegenheit bot? – Das ist doch aber sehr leicht zu erklären. Für Palmer war ein Rendezvous dort kein großes Problem. Er wohnt ein ganzes Stück weit entfernt in Richtung Innenstadt, und daß er in Nord-Oxford von jemandem erkannt wurde, war zwar nicht ausgeschlossen, aber ziemlich unwahrscheinlich. Das Risiko war also gering. Deshalb haben sie sich auch, wenn sozusagen die Luft rein war, in der Regel bei ihr getroffen. Ich ließ das Haus letzte Woche observieren, und Mittwoch kreuzte er tatsächlich auf. McPherson hat es mir berichtet; ich hatte ihn für diese Aufgabe angefordert. Er sah ihn gegen zehn wieder gehen.«
    »Und Crowther? Für ihn war es doch praktisch gleich um die Ecke.«
    »Eben. Es wäre das Dümmste gewesen, was er hätte tun können. Er wohnte seit Jahren in der Gegend, jeder kannte ihn. Sein Weg in den Pub führte ihn jeden Abend durch die Charlton Road. Wenn er da plötzlich regelmäßig ein-, zweimal die Woche in einem bestimmten Haus verschwunden wäre – einem Haus, in dem drei junge Mädchen wohnen –, was meinen Sie, wie die Nachbarn sich da die Mäuler zerrissen hätten. Nein, nein, Crowther durfte sich da nicht blicken lassen.«
    »Deshalb mußte Jennifer, wenn Sue eine Verabredung hatte …«
    »Dann mußte Jennifer sie hinfahren. Ja, genau.«
    »Wenn also Jennifer an dem Abend keine Reifenpanne gehabt hätte, hätten sich Sue und Sylvia nicht getroffen, und Sylvia wäre noch am Leben.«
    »Ja, das könnte man wohl so sagen.« Morse setzte sich wieder in seinen Sessel. »Sue Widdowson war unruhig, nehme ich an. Sie wollte nicht zu spät kommen. Vielleicht war sie auch ein bißchen gereizt, daß nicht alles wie vorgesehen klappte. Jedenfalls verließ sie sich nicht darauf, daß Jennifer noch jemanden finden würde, der ihr den Reifen wechselte, sondern entschloß sich, den Bus zu nehmen. Und an der Haltestelle in der Woodstock Road stand dann Sylvia Kaye.«
    »Hätte sie bloß auf Jennifer gewartet …«
    Morse nickte. »Ja. Hätte sie bloß! Wie Sie wissen, fand sich der Mann von gegenüber bereit, Jennifer zu helfen, und der neue Reifen war in weniger als zehn Minuten montiert. Sie hatte ja selbst großes Interesse daran, ihr Auto an dem Abend benutzen zu können; denn sie war mit Palmer in der Golden Rose verabredet. Da sie ursprünglich Sue nach Schloß Blenheim hätte bringen sollen, lag der Pub günstig für sie, direkt an der A 34. Sie war übrigens an dem Abend trotz aller Schwierigkeiten sogar noch vor ihm da. Sie holte sich ein Bier mit Limo und setzte sich damit in den Garten, um ihn gleich zu sehen, wenn er kam.«
    »Ist schon tragisch, finden Sie nicht, Sir? Wenn Sue Widdowson nun …«
    »Sie mit Ihrem Was wäre wenn , Lewis.«
    »Aber es stimmt doch, oder?« antwortete Lewis ernsthaft.
    »Ja, ja. Sie haben schon recht.«
    »Aber alles, was Sie eben erzählt haben, waren doch nur Vermutungen, Sir, oder? Ich meine, Sie hatten doch keinerlei Beweise.«
    »Jedenfalls nicht gleich. Aber es kam alles genau hin. Sue und Jennifer waren gleich groß, hatten dieselbe Haarfarbe, nur …«
    »Nur, was, Sir?«
    »Ach, das tut jetzt nichts zur Sache. Die Kleidung – der helle Sommermantel und die dunkle Hose, die Mrs. Jarman uns beschrieben hatte, ich sah sie an Sue Widdowson. Am Freitagabend zeigte ich Mrs. Jarman ein Foto von ihr. Sie hat sie sofort erkannt. Jetzt wundert es mich auch nicht mehr, daß sie bei der Gegenüberstellung solche Schwierigkeiten hatte, sich zu entscheiden. Das Mädchen, das sie an der Haltestelle gesehen hatte, war eben nicht dabei.«
    »Vielleicht irrt sie sich ja auch, Sir.«
    Morse schüttelte den Kopf. »Schön wär’s«, sagte er leise.
    »Aber das alles ist doch noch immer kein Beweis .«
    »Ich habe noch etwas anderes herausgefunden. Als ich an dem Morgen nach Crowthers Tod im Radcliffe-Krankenhaus war, sprach ich mit der Stationsschwester. Sie gab mir übrigens auch seine Schlüssel, sie waren in seiner Hosentasche. Ich fragte sie, ob vielleicht jemand vom Pflegepersonal Crowther besucht habe, und sie verneinte das, fügte dann aber hinzu, daß eine der Schwestern, Schwester Widdowson, sich bei ihr nach seinem Ergehen erkundigt und am Abend vor seinem Tod lange am Eingang zum Krankensaal gestanden und zu ihm hinübergeblickt hätte.«
    Morse räusperte sich, stand auf und ging ans Fenster. Die ersten Sonnenstrahlen drangen aus den Wolken. »Ich fuhr
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