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Der Letzte Bus Nach Woodstock

Der Letzte Bus Nach Woodstock

Titel: Der Letzte Bus Nach Woodstock
Autoren: Colin Dexter
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enthält zu schweigen. Sag nichts. Der Brief ist adressiert an eine gewisse Miss Jennifer Coleby.«
    Lewis wollte gerade den Mund aufmachen, doch Morse bedeutete ihm durch eine Handbewegung, daß er nicht unterbrochen werden wollte.
    »Ich weiß, Sie denken, daß ich ein Vorurteil gegen sie gehabt habe, aber inzwischen kann ja wohl kein Zweifel mehr daran bestehen, daß mit dem Brief tatsächlich etwas nicht stimmte, will sagen, daß er sehr wohl etwas mit unserem Fall hier zu tun hatte. Schließlich ist einwandfrei bewiesen, daß tatsächlich Bernard Crowther der Absender war, wie ich vermutet hatte. Er schrieb ihn am Nachmittag des 1. Oktober, das war ein Freitag, im Lonsdale College auf der Maschine seines Freundes Newlove.«
    Lewis öffnete wieder den Mund, kam aber auch diesmal nicht dazu, etwas zu sagen.
    »Gleich, Lewis, gleich. Jennifer Coleby hat uns von Anbeginn fast nichts als Lügen erzählt. Auch die anderen haben natürlich nicht immer nur die reine Wahrheit gesagt, aber bei ihr war die Lügerei besonders ausgeprägt. Die Frage war nur, warum? Wieso gab sie sich solche Mühe, uns in die Irre zu führen? Nach einigem Überlegen glaubte ich, den Grund zu kennen. Miss Coleby war das andere Mädchen , das zusammen mit Sylvia Kaye nach Woodstock hatte trampen wollen, eine Tatsache, die sie uns zu verheimlichen suchte, weil der Fahrer, der an diesem Abend anhielt – Bernard Crowther eben –, ausgerechnet der Mann war, den sie sowieso hatte treffen wollen, ihr Geliebter, zu dem sie seit Monaten eine Beziehung unterhielt. Ihr Argument, sie habe ein Auto und sei deshalb nicht darauf angewiesen zu trampen, mit dem sie mich zunächst schachmatt setzte, glaubte ich später entkräften zu können, nachdem wir herausgefunden hatten, daß sie am Abend des 29. eine Reifenpanne gehabt hatte. Für mich stand damit fest, daß sie ihren Wagen nicht hatte benutzen können. Doch das war voreilig geschlossen, wie ich jetzt weiß. Die Leute vom Reifen- und Batteriedienst in Cowley konnten nicht rechtzeitig bei ihr sein, um den Reifen für sie zu wechseln, aber was besagt das schon? Jennifer macht auf mich den Eindruck, als ob sie ziemlich praktisch veranlagt sei. Vielleicht hat sie es also selbst gemacht, oder sie hat irgendeinen Nachbarn oder Bekannten um Hilfe gebeten. So ein Reifenwechsel ist eine Sache von fünf Minuten, und sie brauchte ihr Auto an diesem Abend. Und zwar unbedingt. Was mich hätte stutzig machen sollen, Lewis, war, daß sie sich am nächsten und auch an den folgenden Tagen nicht mehr bei der Werkstatt in Cowley meldete, und bei Barkers war sie ja auch nicht. Das bedeutet doch nichts anderes, als daß der Schaden inzwischen irgendwie behoben war.«
    »Also, ich komme da nicht mehr ganz mit, Sir«, gestand Lewis.
    »Das macht nichts, Sergeant. Sie werden es schon noch verstehen, keine Angst.« Er sah auf die Uhr. »Ich möchte, daß Sie zu ihr fahren und sie herbringen.«
    »Sprechen Sie von Miss Coleby, Sir?«
    »Von wem denn sonst?«
    Morse verließ zusammen mit Lewis das Zimmer, ging ein paar Türen weiter zum Büro von Chief Superintendent Strange, klopfte an und trat ein.
     
    Nach einer halben Stunde öffnete sich die Tür und Strange und Morse standen auf der Schwelle. Beide Männer sahen sehr ernst aus. Morse, schon im Begriff zu gehen, sagte noch etwas, und Strange nickte langsam.
    »Sie sehen übrigens sehr abgespannt aus, Morse. Sie sollten sich jetzt, wo die Sache vorbei ist, ein paar Tage Urlaub gönnen.«
    »Noch ist sie ja nicht ganz vorbei, Sir.«
    Morse kehrte mit schweren Schritten in sein Büro zurück. Als Lewis Jennifer Coleby hereinführte, nahm Morse ihn beiseite und sagte: »Sergeant, ich möchte unter vier Augen mit ihr sprechen. Ich weiß, Sie werden Verständnis dafür haben.«
    Lewis fühlte sich gekränkt, sagte aber nichts, sondern ließ die beiden allein.
     
    »Nachdem Ihr Sergeant gestern bei mir war, nahm ich an, daß Sie mich jetzt endlich …«
    Morse fuhr ihr grob dazwischen: »Sie halten jetzt erst einmal den Mund und hören sich an, was ich Ihnen zu sagen habe.« Jennifer hielt es für klüger, ihn nicht zu provozieren und schwieg.
    »Ich werde Ihnen jetzt meine Überlegungen zum Fall Kaye mitteilen. Sie dürfen mich, wenn ich mich in einem Punkt irre, gern korrigieren, ich mache Sie aber gleich darauf aufmerksam, daß Sie nicht versuchen sollten, mir weitere Lügen aufzutischen. Es hat sowieso keinen Zweck mehr.« In ihren Augen las er unterdrückte Wut, doch es
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