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Der Letzte Bus Nach Woodstock

Der Letzte Bus Nach Woodstock

Titel: Der Letzte Bus Nach Woodstock
Autoren: Colin Dexter
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war ihm gleichgültig. »Ich glaube, daß an dem fraglichen Mittwochabend alles damit begann, daß ein Mann zwei Mädchen am Straßenrand stehen sah und anhielt, um sie mitzunehmen, und erst zu spät entdeckte, daß eine der beiden seine Geliebte war, die wie er nach Woodstock oder, genauer gesagt, nach Schloß Blenheim kurz vor Woodstock wollte, wo sie miteinander verabredet waren. Sonst war sie im Auto zu ihren heimlichen Treffen gekommen, aber an diesem Abend war das nicht möglich, und deswegen entschloß sie sich, den Bus zu nehmen, und als dieser nicht kam, versuchte sie es per Anhalter, um auf jeden Fall pünktlich zu sein. Es war reiner Zufall, daß ausgerechnet er anhielt – ein unglückseliger Zufall, denn das zweite Mädchen durfte nicht merken, daß sie und der Mann sich kannten, und das bedeutete, daß sie ihren ursprünglichen Plan für den Abend fallenlassen mußten. Wie sie sich miteinander darüber verständigten, kann ich nicht sagen, vielleicht war das auch ohne viele Worte zwischen ihnen klar. Ich stelle mir vor, daß ihn seine Geliebte bei der ersten sich bietenden Gelegenheit darum bat, sie aussteigen zu lassen. Ob sie da schon die Absicht hatte, ihm unbemerkt zu folgen, oder ob ihr die Idee erst kam, als sie ihn zusammen mit der anderen wegfahren sah, weiß ich nicht. Ich nehme an, sie war während der Fahrt Zeugin, wie das Mädchen vorn seine Reize spielen ließ. Und sie wußte, daß die meisten Männer sie – langbeinig und blond wie sie war – sehr attraktiv fanden. Wie weit konnte sie ihrem Geliebten vertrauen? Seine Frau betrog er schließlich auch mit ihr. Warum sollte er sie nicht ebenso hintergehen? Von Mißtrauen und Eifersucht getrieben, bestieg sie also den Bus, aber nicht den zurück nach Oxford, sondern den in Richtung Woodstock. Der Bus muß ziemlich schnell gekommen sein. Ich denke, sie wird, als ihr klar wurde, daß sie nur wenige Minuten länger an der Haltestelle hätte warten müssen, ihren Entschluß zu trampen um so bitterer bereut haben. In Woodstock versuchte sie dann auf gut Glück, den Mann und das Mädchen im Black Prince zu finden. Sie wußte wohl, daß Sylvia dorthin wollte. Tatsächlich entdeckte sie die beiden. Auf dem Hof. In der dunkelsten Ecke – jedoch nicht dunkel genug, als daß sie nicht hätte sehen können, was vor sich ging. In dem Moment muß eine Woge von Eifersucht sie überschwemmt haben, und sie verspürte wahrscheinlich eine grenzenlose Wut, und zwar nicht so sehr gegen Crowther als gegen Sylvia, dieses billige kleine Flittchen, das sie nie hatte leiden können. Nachdem Crowther weggefahren war, trat sie aus dem Schatten des Schuppens, wo sie nur wenige Meter entfernt von den beiden gestanden hatte. Wir wissen nicht, ob sie Sylvia beschimpfte. Auf jeden Fall bekam diese es mit der Angst zu tun, vielleicht sah sie den mörderischen Haß in den Augen der anderen, und versuchte noch wegzulaufen. Aber sie kam nicht weit. Ein wuchtiger Schlag mit einem Montiereisen zertrümmerte ihr den Hinterkopf. Ihrer Mörderin gelang es, nachdem sie die Tote in die hintere Ecke geschleift hatte, wo man sie später fand, den Hof unbehelligt zu verlassen und nach Hause zu fahren.« Morse hielt inne. Im Zimmer herrschte absolute Stille. »Glauben Sie, daß meine Schilderung in etwa mit den tatsächlichen Ereignissen übereinstimmt?«
    Sie nickte.
    »Ich nehme an, Sie wissen inzwischen, wer Sylvia Kaye umbrachte, oder?« Er sprach so leise, daß sie ihn kaum verstehen konnte. Sie nickte wieder.
    Morse gab Lewis telefonisch Bescheid, er möge bitte kommen und mitschreiben. Der Sergeant nahm an einem Nebentisch Platz.
    »Ich möchte Ihnen jetzt noch ein paar Fragen stellen, Miss Coleby. Als erstes hätte ich gern gewußt, wer Ihnen an dem Abend beim Reifenwechsel geholfen hat.«
    »Mr. Thorogood. Er wohnt gegenüber.«
    »Brauchte er lange dazu?«
    »Nein. Höchstens zehn Minuten. Ich half ihm dabei.«
    »Seit wann haben Sie ein Verhältnis mit Ihrem Chef?« Lewis sah erstaunt hoch.
    »Seit ungefähr einem Jahr.«
    »Eine dritte Person einzuweihen war doch gefährlich. Hatten Sie keine Bedenken?«
    »Doch, schon. Aber es war die einzige Möglichkeit, um ab und zu allein sein zu können.«
    »Hat Palmer Ihnen heute morgen gesagt, daß ich es weiß?«
    »Ja.« Sie hatte alle seine Fragen bereitwillig beantwortet, doch jetzt funkelte einen Augenblick lang wieder die alte Aggressivität in ihren Augen auf.
    »Wie haben Sie das herausbekommen?«
    »Durch Nachdenken. Und der
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