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Der Hexer - NR10 - Wenn der Stahlwolf erwacht

Der Hexer - NR10 - Wenn der Stahlwolf erwacht

Titel: Der Hexer - NR10 - Wenn der Stahlwolf erwacht
Autoren: Verschiedene
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befehlenden Geste, das Grab zu umrunden und auf der entgegengesetzten Seite stehenzubleiben. Als ich daran vorbeiging, fiel mein Blick in die offene Grube.
    Was ich sah, ließ mich aufstöhnen.
    Der Boden des Grabes war unter einem wogenden Meer grünlichen Lichtes verschwunden. Helligkeit, die wie leuchtendes Wasser einen unförmigen schwarzen Balg umströmte. Schwarze Tentakel, noch nicht ganz materialisiert, aber schon fast stofflich, bewegten sich wie träge Schlangen, und Augen voller abgrundtiefer Bosheit schienen zu mir herauf zu starren.
    Shub-Niggurath. DAS TIER.
    Die Bestie dort unten, das Ungeheuer, dessen Erwachen ich beiwohnen sollte, war nichts anderes als Shub-Niggurath, die schreckliche schwarze Ziege mit den tausend Jungen, wie sie im Chaat Aquadingen genannt wurde. Ich hatte das Gefühl, innerlich zu Eis zu erstarren. Zum allerersten Male stand ich einem der gefürchteten GROSSEN ALTEN bewußt gegenüber. Ich hatte das Gefühl, direkt in den Schlund der Hölle zu schauen.
    »Sie dürfen das nicht tun«, flüsterte ich. »Bitte, Shadow – wer immer Sie sein mögen, tun Sie es nicht. Dieses Ungeheuer wird... wird uns alle vernichten.«
    Ihr Blick war voller Trauer, als sie auf der anderen Seite des Grabes Aufstellung nahm und mich ansah. »Es muß sein, Robert«, sagte sie bedauernd. »Gedulden Sie sich. Sie werden verstehen.«
    »Was soll ich verstehen?« fragte ich bitter. »Daß Sie ein Ungeheuer erwecken wollen, das die ganze Welt vernichten kann?«
    Sie antwortete nicht. Langsam wandte sie sich um, hob den Arm und stieß ein Wort in einer dunklen, fremdartig klingenden Sprache aus. Nicht die der GROSSEN ALTEN, aber eine andere, beinahe ebenso fremdartig klingende Sprache. Es schien noch kälter zu werden.
    Langsam näherten sich zwei Menschen dem Grab. Ich sah, daß sie einen dunklen Gegenstand zwischen sich trugen, und als sie näher kamen, erkannte ich auch, was es war: eine Leiche. Ein Toter, den sie aus einem der aufgebrochenen Gräber genommen und aus seiner ewigen Ruhe gerissen hatten. Shadow trat beiseite und machte eine befehlende Geste, und die beiden Männer traten wortlos ganz an das Grab heran und warfen den Toten hinein.
    Er verschwand, als er das grüne Leuchten berührte.
    Und der Schattenkörper Shub-Nigguraths wurde um eine Winzigkeit fester.
    »Shadow!« sagte ich verzweifelt »Bitte!«
    Diesmal reagierte sie nicht mehr. Hoch aufgerichtet und mit beschwörend ausgestreckten Armen stand sie über dem Grab, und ihre Lippen formten lautlose Worte; Worte einer Sprache, die vor Äonen untergegangen war und jetzt wieder zu schrecklichem Leben erwachte.
    Sie und die Wesen, die sie gesprochen hatten.
    Mehr und mehr Männer und Frauen näherten sich dem Grab, immer zu zweit und immer einen Toten zwischen sich tragend, den sie lautlos in das grüne Wogen hinabwarfen, wo er verschwand. Opfer für Shub-Niggurath, dachte ich schaudernd. Nahrung für das Monster, das bald aus seinem äonenlangen Schlaf erwachen und das vergessene Grauen der Urzeit wieder über die Welt der Menschen bringen sollte. Und mit jedem Leichnam, der in das Grab geworfen wurde, wurde der aufgedunsene schwarze Balg der Bestie ein wenig stofflicher...
    Schließlich war auch der letzte Tote im Grab verschwunden, und der schwarze Fleck im Zentrum des grünen Lichtmeeres war jetzt nur noch eine Winzigkeit davon entfernt, zu wirklichem Leben zu erwachen. Aber etwas fehlte noch. Das letzte, entscheidende Opfer. Das lebende Opfer, das er brauchte, um endgültig zu erwachen.
    Shadow hob die Hand, und wie auf einen lautlosen Befehl hin setzte sich Lady Audley in Bewegung, trat ganz an das Grab heran und schloß die Augen. Ihre Lippen zuckten. Und dann sah ich die Ratte. Irgend etwas unterschied sie von den zahllosen Tieren, die zusammengekommen waren, um der fürchterlichen Zeremonie beizuwohnen. Es dauerte einen Moment, bis ich begriff, was es war.
    Es war die Ratte, die Kilian begleitet hatte. Das Tier, das mich gerufen hatte. Und im gleichen Moment, in dem ich das begriff, spürte ich das Tasten.
    Es war wie die Berührung unsichtbarer Spinnenfinger in meinem Geist, ein Suchen und Sondieren auf dumpfer, animalischer Ebene, das ich trotzdem verstand –
    und auf das ich reagierte. Die Verbindung kam so schnell zustande wie am Nachmittag, als ich mit dem Geist der amoklaufenden Ratten in London verschmolzen war; nur daß es diesmal die Ratte war, die den Kontakt herstellte. Sie war noch immer ein Tier, und trotzdem waren ihre
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