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Der Hexer - NR10 - Wenn der Stahlwolf erwacht

Der Hexer - NR10 - Wenn der Stahlwolf erwacht

Titel: Der Hexer - NR10 - Wenn der Stahlwolf erwacht
Autoren: Verschiedene
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Friedhof.« Er wiegte den Schädel, kniff die Augen zusammen und blinzelte zur Sonne hinauf. Ich folgte seinem Blick.
    Die Sonne begann zu sinken. Wir hatten fast eine Stunde gebraucht, um den Ort zu erreichen. Kilian war immer wieder stehen geblieben und hatte sich umgesehen, als suche er etwas, und mehr als einmal hatte ich ein Rascheln und Wispern hinter mir im Gras gehört. Selbst jetzt spürte ich die Anwesenheit der Ratte. Sie war da, unsichtbar und lautlos, aber ich fühlte ihren Blick wie die Berührung unsichtbarer glühender Finger.
    »Wird bald dunkel«, sagte Kilian wie im Selbstgespräch. »Ist nicht mehr viel Zeit. Ich denke, der alte Kilian sollte jetzt gehen.«
    »Gehen?« Verwirrt starrte ich den Alten an. »Sie meinen –«
    »Der alte Kilian hat ihn hergebracht, oder?« fragte er mit seiner schrillen Säuferstimme. »Wie es die grauen Herren befohlen haben. Was nun geschieht, geht ihn nichts an. Ist besser, er ist nicht dabei, wenn sie tun, was getan werden soll.«
    Ich verstand überhaupt nichts mehr, aber Kilian schien nicht geneigt, weitere Erklärungen abzugeben, sondern wandte sich um und begann mit erstaunlicher Geschwindigkeit die Straße hinunter zu laufen.
    Er kam nicht einmal zehn Schritte weit.
    Ein grauer Körper löste sich aus dem Schatten eines Hauses, schoß lautlos auf ihn zu und raste an seinem Hosenbein empor. Kilian schrie auf, kam aus dem Tritt und fiel schwer zu Boden, wobei er die Ratte unter sich begrub. Ein halb wütendes, halb schmerzerfülltes Quieken erscholl und ging im Gebrüll des alten Mannes unter.
    Der Laut riß mich endlich aus meiner Erstarrung. Ich schrie ebenfalls auf, rannte los und riß meinen Stockdegen aus der Hülle.
    Ein glühender Schmerz grub sich in meine Wade. Ich schrie erneut auf, kam wie Kilian aus dem Schritt und fiel wenige Schritte hinter ihm zu Boden. Der Schmerz in meinem Bein steigerte sich ins Unerträgliche. Ich wälzte mich herum und sah ein zappelndes braungraues Etwas, das sich in meine Wade verbissen hatte. Instinktiv schlug ich mit dem Stockdegen zu, schlitzte mein Hosenbein, einen Teil meiner Wade und den häßlichen Leib der Ratte auf und bemerkte eine Bewegung aus dem Augenwinkel. Blitzschnell riß ich den Degen hoch – und ließ die Waffe mit einem Schmerzensschrei fallen, als sich messerscharfe Zähne in mein Handgelenk gruben.
    Und plötzlich waren überall Ratten. Hunderte, wenn nicht Tausende der gräßlichen Nagetiere huschten auf stahlharten Krallen heran. Aber sie griffen nicht an, sondern begannen, einen vielleicht drei Meter durchmessenden, allseits geschlossenen Kreis um mich herum zu bilden.
    Vorsichtig richtete ich mich wieder auf. Die Ratten stießen ein warnendes Zischen aus, und ich erstarrte für einen Moment, ehe ich es – weitaus langsamer und vorsichtiger – wieder wagte, mich weiter zu bewegen und vollends aufzusetzen.
    Der Ort hatte sich nicht verändert. Die Straße war mit den Tieren übersät, und auch hinter den Fenstern und Türen der Häuser auf der gegenüberliegenden Seite gewahrte ich jetzt huschende Bewegungen. Vorsichtig drehte ich mich herum und hielt nach Kilian Ausschau.
    Der Alte lag keine zwei Schritte neben mir, noch innerhalb des frei gebliebenen Kreises, den die Ratten gebildet hatten.
    Er war tot. Er lag mit dem Gesicht nach unten auf der Straße, und unter seinem Hals bildete sich eine langsam größer werdende, glitzernde Lache. Ein dumpfes Gefühl von Schuld stieg in mir empor und vermischte sich mit der Angst, die an meinen Kräften nagte.
    Dann hörte ich die Schritte.
    Sie waren nicht sehr laut, und es waren die Schritte eines Menschen, der sich mit großer Eleganz zu bewegen vermochte. Ich wußte, wen ich erblicken würde, noch bevor ich mich umdrehte und in das schmale, von dunklem Haar eingerahmte Gesicht des Mädchens blickte.
    »Sie hätten nicht kommen sollen, Robert Craven«, sagte Cindy.
    Ich wollte antworten, aber in meinem Mund war plötzlich bitterer, nach Galle schmeckender Speichel, und ich mußte ein paarmal hintereinander schlucken und tief einatmen, um mich nicht zu übergeben.
    Sie war so schön wie das Bild, das ich in meinen Visionen von ihr gesehen hatte: schlank bis an die Grenzen der Zerbrechlichkeit, feingliedrig und elegant wie eine Statue aus Glas. Ihr Gesicht war wie das eines Engels.
    Und so kalt wie Eis.
    »Warum?« flüsterte ich kraftlos. »Warum mußten Sie diesen harmlosen alten Mann umbringen?«
    Zwischen den Brauen des Mädchens entstand eine
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