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in China

in China

Titel: in China
Autoren: Dorothy Gilman
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1. Kapitel
    Mrs. Pollifax saß mit einer Tasse Kaffee in der einen und einem Sandwich in der anderen Hand in Carstairs Büro. Ihr blauer Filzhut glich einer zerbeulten verkehrtherum aufgestülpten Schüssel. Die Krempe saß dermaßen schief, daß Bishop zu der Überzeugung gelangte, der Hut müsse schon oft überrollt worden sein. Vielleicht hatte Mrs. Pollifax sich auch irrtümlich darauf gesetzt. Er sah, wie sie Carstairs, der an seinem Schreibtisch saß, einen Blick zuwarf.
    Dann nahm sie ihn selbst mit unergründlicher Akribie unter die Lupe und sagte mit erzwungener Geduld: »Ja, das Wetter war für Mai ungewöhnlich kühl und die Fahrt nach Langley Field sehr schön. Meine Geranien haben wir auch schon durchgehechelt, wir haben durchgekaut, wie ich in Sambia auf Cyrus Reed gestoßen bin. Ich finde, daß es jetzt allmählich...«
    Bishop stellte seine Kaffeetasse ab und grinste. So stellte er sich Mrs. Pollifax bei den Clubabenden des Gartenclubs vor. Ein vor Munterkeit übersprudelndes, rührendes kleines Frauchen mit wehendem weißen Haar und einer Vorliebe für ausgefallene Kopfbedeckungen sowie für Geranien. Er bedauerte, daß er sie noch nie bei einem solchen Clubabend erlebt hatte. Er war ihr hier im Büro zu erstenmal begegnet. Da hatte sie gerade unter Einsatz ihres Lebens Flüchtlinge aus Albanien herausgeschleust und war per Jet in ihr Heimatland zurückverfrachtet worden. Sie hatte auf dem gleichen Stuhl wie jetzt gesessen, wie ein Schäfer in voluminöse Gewänder gehüllt und tiefbraun wie eine Zigeune rin. Drei Tage war sie auf der Adria getrieben. Sie brachte Dinge fertig, daß es ihnen allen die Sprache verschlug.
    Manchmal fiel es ihm schwer, sich mit der Duplizität von Mrs. Emily Pollifax abzufinden.
    Sein Grinsen wurde noch breiter, als er sich jetzt an sie wandte: »Sie meinen also, wir haben jetzt lange genug Konversation gemacht und sollten endlich zur Sache kommen.«
    »Allerdings«, pflichtete sie ihm bei. »Sie haben mich doch wohl kaum kommen lassen, um sich mit mir über das Wetter zu unterhalten. Er fällt mir schon deshalb schwer, das zu glauben«, fuhr sie augenzwinkernd fort, »weil Sie mir eine Sondermaschine geschickt haben.
    Ich muß schon sagen, das war sehr nobel von Ihnen.«
    »Wir sind nobel, wann immer es sich machen läßt«, versicherte ihr Bishop. »Schon um unser Image aufzupolieren und zu widerlegen, was gemeinhin in den Köpfen der Leute
    herumspukt. Sie wissen schon, der Agent im zerknautschten Regenmantel...« Er machte eine Pause als ihm einfiel, daß ihn Mrs. Pollifax mit Anrufen zu bombardieren pflegte, um ihm bittere Vorwürfe zu machen, wann immer der CIA in einen Skandal verwickelt war. Um sie zu beruhigen, erklärte er ihr dann, seine Abteilung habe nicht das geringste damit zu tun. Er hatte sie auch immer wieder darauf hingewiesen, daß es seine Befugnisse bei weitem überschritte, wollte er dem Weißen Haus mitteilen, wie empört sie war. Vermutlich war diese Seite an ihr der Grund dafür, daß Carstairs sie immer viel gründlicher instruierte als seine übrigen Agenten. Bishop wunderte sich inzwischen über ihre Reaktionen nicht mehr als über den Früchtekuchen, den sie ihnen zu Weihnachten regelmäßig schickte. Für gewöhnlich legte sie damit die ganze Abteilung lahm. Der Brandyduft hing so lange in den Räumen wie ihr Kater anhielt.
    Plötzlich fiel ihm wieder ein, warum Mrs. Pollifax herzitiert worden war. Carstairs hatte wieder einmal einen besonders delikaten Auftrag für sie. Ihn überfiel das gleiche kalte Grauen wie jedesmal, wenn er sie so in aller Unschuld auf der Stuhlkante sitzen sah. Mit Feuereifer und regelrecht entzückt fieberte sie dem neuen Auftrag entgegen. Jedesmal schalt sie ihn dafür, daß er sich um sie sorgte. Ihm war, als werde er ganz plötzlich von einem heftigen Unwohlsein befallen. Ob Carstairs das wohl auch empfand? Wenn ja, so ließ er sich jedenfalls nichts anmerken. Das heißt, vorerst noch nicht. Bald würde es ihm ebenso ergehen.
    So war es immer gewesen.
    »Die Aufgabe, an die wir gedacht haben«, begann Carstairs vorsichtig, »erscheint auf den ersten Blick ganz harmlos. Trotzdem ist die Sache sehr gefährlich, Mrs. Pollifax. Die Angelegenheit ist nämlich hochbrisant, und zwar wegen des Landes, in dem sich alles abspielt, denn Sie könnten dort selbst in Verdacht geraten.« Er sah sie nachdenklich an.
    »Deshalb mußte ich auch darauf bestehen, daß Sie sich persönlich herbemühen. Ich möchte, daß Sie sich
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