Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
104 - Leichenparasit des Geflügelten Todes

104 - Leichenparasit des Geflügelten Todes

Titel: 104 - Leichenparasit des Geflügelten Todes
Autoren: Larry Brent
Vom Netzwerk:
 
    Der Mann an seiner Seite war ein Mörder.
    Aber das wußte der Fahrer des Bentley nicht.
    Oliver Reece hatte seinen Begleiter per
Anhalter mitgenommen.
    Der vielfache Frauenmörder war als Reverend
verkleidet und machte einen harmlosen Eindruck.
    Aber an diesem Mann stimmte noch mehr nicht.
    Er atmete nicht, und in seiner Brust schlug
kein Herz. Er war nicht aus Fleisch und Blut, sondern lebensecht aus Wachs
nachgeformt. Der Reverend stammte aus dem Panoptikum eines schrulligen,
eigensinnigen Mannes, der die Gesellschaft mied und wie ein Einsiedler lebte:
George Hunter.
    Dieser Hunter hatte ein Hobby. Er stellte die
Großen der Weltgeschichte als Wachsfiguren her. Dabei legte er besonderen Wert
auf die Darstellungen legendärer Schreckgestalten und Außenseiter der
Gesellschaft, wie Triebverbrecher, Massenmörder und Geisteskranke.
    Oliver Reece, ein junger Schauspieler aus den
Vereinigten Staaten, hielt sich seit vierzehn Tagen in England auf und wirkte
in einem Grusel-Thriller der Spitzenklasse mit, den der bekannte Produzent und
Regisseur Leonhard M. Kelly inszenierte.
    Die Handlung enthielt viel englisches Milieu,
die düsteren Landschaften von Dartmoor und Cornwall kamen ebenso vor wie alte
Burgen und Schlösser aus ferner Zeit und eine bedeutende Szene in einem
Horror-Kabinett, das laut Drehbuch von einem verrückten, mordlüsternen Lord
eingerichtet worden war.
    In George Hunters Privat-Panoptikum hatte
Kelly genau das gefunden, was er suchte, und Reece sofort losgeschickt, die
technische Ausrüstung und die Kameramänner abzuholen. Nach London waren es
ungefähr dreißig Meilen.
    Reece fuhr schnell, um Zeit zu gewinnen. Die
schmale, kurvenreiche Straße, die von den Chiltern Hills aus Richtung
Themse-Metropole führte, war als Rennstrecke wenig geeignet, aber in dem
schweren und gut auf der Fahrbahn liegenden Wagen fiel das nicht so sehr ins
Gewicht.
    Reece fühlte sich etwas unbehaglich an der
Seite seines Beifahrers.
    »Was haben Sie so weit draußen gemacht,
Reverend ?« versuchte er das Gespräch in Gang zu
bringen.
    Die Begegnung mit dem Mann war schon
sonderbar, das mußte er sich im stillen eingestehen. Wo er den Geistlichen
aufgelesen hatte, stand weit und breit kein Wohnhaus, und eine Panne schien der
Mann auch nicht gehabt zu haben. Einen Wägen hatte er
in der Nähe der Anhaltestelle jedenfalls nicht bemerkt.
    Der Mann war hager, hatte ein schmales
Gesicht und eine gerade Nase. Er wandte den Kopf, als er antwortete.
    »Manchmal, mein Sohn«, sagte er mit sanfter Stimme,
»gibt es Dinge im Leben, die man nicht gleich versteht. Ich hatte in High
Wycombe zu tun. Ich war dort mit einem Studienkollegen hingefahren. Wir trafen uns in einem Pub und wollten gemeinsam wieder nach
London zurückfahren. Mein Kollege James suchte jedoch zum Abschied noch einen
alten Bekannten auf. Als mir das Warten zu lang wurde, habe ich mich aufgemacht
und mußte feststellen, daß James ohne mich davongefahren war. Ich muß
erläuternd hinzufügen daß er schon älter ist und sehr vergeßlich.
    Er hatte tatsächlich vergessen mich
mitzunehmen...«
    Der Geistliche lachte leise, und Oliver Reece
stimmte in dieses Lachen mit ein.
    »So begann ich meine Wanderschaft«, fuhr der
Mann an seiner Seite fort. »Ich hegte die vage Hoffnung, daß James auf dem Weg
nach London mein Fehlen bemerkt und umdreht. So konnte ich ihm schon
entgegengehen. Aber meine Rechnung ging nicht auf. James hat einen totalen
Blackout, wahrscheinlich erinnert er sich nicht mal mehr daran, daß wir uns in
High Wycombe begegnet sind. Nun ja, Schwamm drüber . .. , ich hab’ einen freundlichen Fahrer gefunden und werde also ohne größere
Schwierigkeiten nach Hause gelangen. Und so Gott will - wird James sich
vielleicht in ein paar Tagen plötzlich an unsere Begegnung in High Wycombe
erinnern, und er wird sich vielleicht auf den Weg machen, mich dort abzuholen,
weil er denkt, ich würde noch immer auf ihn warten . ..«
    Der Reverend grinste von einem Ohr zum andern.
    Oliver Reece amüsierte sich sowohl über den
vergeßlichen Kollegen des Geistlichen als auch über den trockenen Humor, den
der Erzähler bei der Wiedergabe seiner Geschichte erkennen ließ.
    Oliver Reece war ein guter Schauspieler,
sonst hätte ihn Leonhard M. Kelly sicher nicht engagiert.
    Ein noch besserer Schauspieler in gewisser
Hinsicht war Terry Whitsome. Er überzeugte mit seiner Lüge. Schon immer war er
selbstbewußt aufgetreten, erschlich sich das Vertrauen junger Frauen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher