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Der General und das Mädchen

Der General und das Mädchen

Titel: Der General und das Mädchen
Autoren: Jacques Berndorf
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sähe. Gleich würde es vorbei sein - würde ich den Schuß noch hören?
      In diesem Augenblick kam mit kreischenden Reifen ein Wagen in die Einfahrt geschleudert. Ich nahm den Kopf hoch; geblendet erkannte ich nicht gleich, wer es war. Im grellen Lichtkegel stand Tutting, riß das Gewehr hoch, mußte dann aber zur Seite springen, um nicht von dem kleinen schwarzen Auto erfaßt zu werden, das auf ihn zuschoß und dann quer zur Fahrbahn stehenblieb.
      Ein Peugeot - mein Wagen, nicht die Polizei! Ich schrie entsetzt: »Nicht, Germaine, nicht stehenbleiben! Fahr weg, weg doch, er schießt!«
      Tutting fuhr herum, hob das Gewehr in Hüfthöhe und gab drei schnelle Schüsse in die Richtung meiner Stimme ab. Die Geschosse zerfetzten den Oleander, und Moni wimmerte leise auf. Doch wieder hatte er uns verfehlt.
      Plötzlich hörte ich einen viel schärferen, helleren Knall, dann noch einen; insgesamt fünfmal zerriß das bösartige Bellen die Nacht. Dann war es auf einmal ganz still.
      Vorsichtig sah ich hoch. Eine Gestalt trat langsam in das Licht der Scheinwerfer, beide Arme nach vorne ausgestreckt, die Hände hielten fest eine häßliche Pistole umklammert. Germaine!
      Ich rief: »Paß auf, Germaine!«, doch sie ging weiter wie in Trance, auf die Gestalt zu, die vor ihr am Boden lag, die Pistole starr auf den Körper gerichtet, der sich nicht mehr bewegte. Dann sah ich zwei scharfe Blitze, den Knall der Schüsse nahm ich kaum wahr, der Körper zuckte, und alles war wieder totenstill.
      Entsetzt sprang ich auf und rannte zu Germaine hin. Sie zitterte, ihr Gesicht war tränenüberströmt, und ich mußte ihr die Pistole aus den Händen winden, so verkrampft waren sie.
      Die Parabellum des Generals! Ich hatte sie völlig vergessen, aber Germaine mußte sie die ganze Zeit mitgeschleppt haben.
      Ihre Zähne schlugen klappernd aufeinander, und ich nahm sie behutsam in den Arm. »Ist ja alles gut, Mädchen. Ist ja gut.«
      Moni kam atemlos angerannt, zog mich am Arm und sagte unter Schluchzen: »Die Bullen kommen, ihr müßt abhauen. Los, Baumeister, ihr müßt weg! Das war Mord, für die Bullen war das Mord, wenn dieses Schwein eben noch gelebt hat. Nun haut doch endlich ab! Ich bleibe hier, ich bleibe bei Jonny. Und ich habe euch nie gesehen, im Leben niemals. Nun macht schon!«
      Ich zögerte.
      Dann hörte ich in der Ferne das bedrohliche Heulen eines Martinshorns. Ich sah Germaine kurz an, dann gab ich Moni einen Kuß auf die nasse, schmutzstarrende Wange, schob die willenlose Germaine zum Peugeot, setzte sie auf den Beifahrersitz und fuhr los. Das letzte, was ich von Moni sah, war eine kleine, hilflose Gestalt, die im schwachen Lichtschein, der vom Tor herüberdrang, vor Jonnys Leiche kauerte, seinen Kopf im Schoß hielt und ihn wiegte wie ein kleines Kind.
      Ohne Licht fuhr ich auf Umwegen zum Hotel. Die Polizeisirenen waren sehr nahe, und zweimal sah ich ein zuckendes Blaulicht quer über die Nebenstraße jagen, auf der wir fuhren, aber niemand entdeckte uns.
      Ich weiß nicht, wie wir ins Zimmer kamen. Ich zog die völlig apathische Germaine aus, stellte sie unter die heiße Dusche und ließ sie zögernd alleine. Beim Hinausgehen sah ich noch, wie sie sich wieder und wieder einseifte.
      Nach zehn Minuten kam sie nackt ins Zimmer, blieb einfach stehen und sagte kein Wort. Ich legte sie sanft ins Bett, setzte mich auf die Kante und streichelte ihr behutsam über das Haar. Allmählich ging ihr Atem nicht mehr so stoßweise, sie sah fast gelöst aus, aber sie sprach noch immer kein Wort.
      War es richtig gewesen, einfach wegzulaufen? Aber hätte Germaine die Untersuchung überstanden, den Sensationshunger meiner sogenannten Kollegen? Und wäre sie angeklagt worden? Was war in ihr vorgegangen, als sie die beiden letzten Schüsse abfeuerte? Und was könnte es schaden, wenn ich die Wahrheit erzählte, nichts als die Wahrheit? Ich wälzte trübe Gedanken, bis die Sonne den Horizont grün färbte.
      Irgendwann muß ich eingeschlafen sein, denn als ich erwachte, lag ich angezogen auf dem Bett, die Decke über mich gebreitet, es war heller Tag, und ich war allein. Ich hatte Mühe, mich zurechtzufinden. Der Wecker war stehengeblieben, aber es mußte nach zwölf sein. Ich versuchte, mich zu rasieren, und schnitt mich dabei. Dann entdeckte ich Germaines Zettel.
     
    Liebster Baumeister,
      ich nehme einen Bus nach Hamburg, und dann fliege ich nach Berlin. Ich weiß jetzt, daß ich
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