Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der General und das Mädchen

Der General und das Mädchen

Titel: Der General und das Mädchen
Autoren: Jacques Berndorf
Vom Netzwerk:
muß etwas schiefgelaufen sein. Jemand hat geschossen, verstehst du. Durch das geschlossene Tor hab' ich ihn gesehen, er torkelte wie ein Betrunkener. Dann schoß es wieder, und Jonny lag auf der Straße und rührte sich nicht mehr. Ich bin einfach über das Tor geklettert und zu ihm hin, aber ich konnte doch nichts tun. Er verblutet! Du mußt ihm helfen, du mußt...«
      »Ich helfe ja.« Ich zog mir Jeans und ein Hemd über. »Germaine, ruf die Bullen, sonst geht alles schief.«
      »Willst du dich erschießen lassen?« fragte sie schrill.
      »Mein Gott!« brüllte ich, »wenn der Jonny bei dem Irren da drin liegt! Ruf die Bullen und komm mit ihnen nach.« Ich stürmte hinter Moni her, und irgendwo auf dieser gottverdammten dunklen Hoteltreppe verstauchte ich mir den Fuß und humpelte den Rest bis zum Auto von Moni, das quer auf der Straße stand. Der Motor lief, und ich schob mich ohne zu fragen auf den Fahrersitz. Die Nacht war noch immer lau, und als wir den Hügel hinaufjagten, taumelte ein verschrecktes Käuzchen aus unserem Scheinwerferkegel.
      »Was wollte Jonny bei Tutting?« fragte ich, während ich mit dem Lenkrad kämpfte.
      Moni schien sich wieder etwas gefangen zu haben. Stockend sagte sie: »Irgendwer muß Tutting gewarnt haben. Er hat jedenfalls Jonny einen Deal angeboten - die Unterlagen vom General gegen die Garantie, daß man ihn in Ruhe läßt. Jonny ist drauf eingegangen, aber er wollte ihn sich dabei schnappen. Tutting hat gesagt, sie würden ganz allein sein...« Ihre Stimme überschlug sich, sie stand offensichtlich kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Sie jammerte: »O mein Gott, nicht daß Jonny jetzt auch noch ... Erst Carlo, jetzt Jonny. Er sagte, er würde mir einen Laden in Washington kaufen,' weil...«
      »Moni. Bitte halt die Schnauze jetzt!«
      »Ja, ja, mach nur schnell.«
      An der Abzweigung, die zu Tuttings Grundstück führte, schaltete ich die Scheinwerfer aus und gab noch einmal Gas. Ich ließ den Wagen vor dem Tor ausrollen, das jetzt merkwürdigerweise offenstand.
      Jonny lag etwa dreißig Meter hinter dem Tor auf der Zufahrt und rührte sich nicht. Auf der Kuppe der ersten Bodenwelle saß ein Mann auf einem Stuhl. Es war ein so grotesker Anblick, daß mir der Atem stockte. Er trug einen Trenchcoat und hatte einen Jägerhut auf. Und auf seinen Knien lag ein Gewehr.
      König Tutting verteidigte sein Reich.
      »Heh, Tutting«, schrie ich, »geben Sie doch auf. Es hat doch keinen Sinn mehr!«
      Er antwortete nicht. Er nahm einfach das Gewehr hoch und schoß. Die Kugel winselte irgendwo hinter uns vom Asphalt hoch.
      »Moni! Hinter den Wagen! Schnell! Tutting! Gleich kommt die Polizei. Lassen Sie mich an den Verwundeten ran!«
      Er antwortete nicht, er schoß wieder. Diesmal schlug die Kugel klatschend in den Kotflügel.
      »Tutting! Bitte!«
      Er schoß wieder, und jetzt stellte er sich sogar auf den Stuhl.
      »Ist das ein Schwein!« wimmerte Moni. »Der Jonny blutet doch, der verblutet doch!«
      »Gleich kommen die Bullen, nur die Ruhe.«
      »Oh, Jonny!« schrie Moni und rannte los.
      »Bleib hier, um Gottes willen!«
      Aber sie hörte nicht, sie rannte. Ich sprang hinter das Steuer, gab Gas und brachte den Wagen zwischen Jonny und Tuttings Haus.
      Moni weinte. »Der atmet gar nicht mehr, Baumeister. Guck doch mal, faß doch mal an. Der atmet nicht mehr.«
      »Er ist bloß bewußtlos«, sagte ich beruhigend. »Gleich kriegen wir einen Krankenwagen.«
      Jonny war nicht bewußtlos, Jonny war tot.
      »Da kommt der Irre!« kreischte Moni.
      »Von der Straße runter!« schrie ich und schleuderte sie auf den Rasen, hinter einen jämmerlich dünnen Oleanderbusch.
      Immer noch waren keine Polizeisirenen zu hören. Verzweifelt drückten wir uns gegen den Rasen, doch Tutting mußte uns gesehen haben. Es sah fast aus wie ein Spaziergang, als er dort mitten auf der breiten Zufahrt auf uns zukam, nur daß er in der Hand eine todbringende Waffe trug. Wo blieb die Polizei? Hatten sie Germaine nicht geglaubt? Es war das erste Mal in meinem Leben, daß ich mir wünschte, eine Waffe zu haben, aber ich hätte nicht einmal damit umgehen können.
      Kein sekundenschneller Film, der das Leben noch einmal Revue passieren ließ, kein Gedanke an meine Mutter, nur nackte, derart erbärmliche Angst, daß ich mich am liebsten in den Rasen gegraben hätte und wie ein Kind die Augen zukneifen wollte, damit er mich nicht mehr
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher