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Das letzte Riff

Das letzte Riff

Titel: Das letzte Riff
Autoren: Alexander Kent
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Brüder der See
    Ein beißender Nordost, der seit zwölf Stunden wehte, wirbelte das Wasser im Hafen von Portsmouth auf. Er jagte Wellen mit weißen Kämmen in endloser Folge vor sich her. Die Kriegsschiffe mit ihren schwarz-weißen Rümpfen ruckten heftig an ihren Ankerketten.
    Obwohl es schon später März war, zögerte der Winter seinen Abschied hinaus und zeigte noch einmal alle Kraft, die in ihm steckte.
    Eines der größeren verankerten Schiffe war die
Black Prince
mit 94 Kanonen. Man hatte sie erst kürzlich aus der Werft auf ihren Ankerplatz verholt, nach einigen Reparaturen am Rumpf. Jetzt glänzten ihre frische Farbe und das frisch geteerte, stehende Gut wie Glas – selbst unter der wehenden Gischt und einem Regenschauer, der schräg zur Isle of Wight hinüberzog. Die Insel wirkte in dem schwachen Licht wie ein ferner Schatten.
    Die
Black Prince
war eines der mächtigsten Schiffe ihrer Klasse. Für Landratten verkörperte sie das greifbare Symbol englischer Seemacht, einen sicheren Schutzschild. Doch erfahrene Teerjacken sahen sie anders.
    Noch waren die Rahen leer, ohne die Segel, die ihr Kraft und Leben geben würden. Leichter und Barkassen umschwirrten sie. Zahlreiche Takler und Reepschläger arbeiteten eifrig an Deck. Hammerschläge und das Quietschen der Blöcke machten deutlich, daß auch tief im Schiff und in den Batteriedecks fleißig gearbeitet wurde.
    An der Reling auf der Poop, vor den verstauten Hängematten, stand der Kommandant der
Black Prince
und beobachtete das Kommen und Gehen von Seeleuten und Handwerkern, die unter Aufsicht der Unteroffiziere arbeiteten. Diese bildeten das Rückgrat jedes Kriegsschiffs.
    Kommandant Valentine Keen drückte den Hut fester auf sein helles Haar und scherte sich nicht um den Wind. Ihm war auch egal, daß ihm die Nässe durch den blauen Uniformmantel mit den verfärbten Epauletten bis auf die Haut drang. Ohne sich lange umzuschauen wußte er, daß die Wachhabenden, die in der Nähe des unbesetzten Doppelrads auf und ab gingen, sich seiner Gegenwart sehr bewußt waren. Ein Quartermeister, ein Bootsmannsgehilfe und ein kleiner Midshipman, der gelegentlich ein Teleskop ans Auge hob, beobachteten den Signalturm und ganz in der Nähe das Flaggschiff des Admirals, in dessen Großtopp eine nasse Fahne knallend auswehte.
    Von der Besatzung waren viele, die mit Keen vor Dänemark gekämpft und beinahe einen gewaltigen französischen Dreidecker versenkt hätten, auf andere Schiffe versetzt worden. Das kurze Gefecht hatte die
Black Prince
schwer mitgenommen. Zwar waren einige aus der Mannschaft befördert worden, »doch alle anderen«, hatte der Hafenadmiral kurz bemerkt, »werden dringend gebraucht, Kapitän Keen. Also müssen Sie warten, bis Ihr Schiff wieder kampfbereit ist.«
    Keen dachte an die Schlacht und an den furchtbaren Schrecken in der Morgendämmerung, als sie Konteradmiral Herricks
Benbow
zu Hilfe gekommen waren. Er hatte einen Konvoi von 21 Schiffen schützen sollen, der zur Eroberung von Kopenhagen ausgesandt worden war.
    Zerstreut trieben die Schiffe als brennende Wracks in der See. Unter Deck schrieen eingepferchte Kavalleriepferde in Todesnot. Die
Benbow
dümpelte entmastet in der See, das zweite Begleitschiff war gekentert und verloren.
    Kadett oder Fähnrich zur See: Offiziersanwärter Sie hatten die
Benbow
zurück nach England in eine Werft geschleppt. Sie jeden Tag hier zu sehen, wäre auch zu quälend gewesen, besonders für Vizeadmiral Sir Richard Bolitho, dessen Flagge bald wieder am Fockmast der
Black Prince
auswehen würde. Herrick war Bolithos ältester Freund gewesen, doch sein Verhalten vor und nach der Schlacht hatte Keen entsetzt und betrübt. Möglicherweise war es
Benbows
letzte Schlacht gewesen. In Kopenhagen hatten sie so viele Schiffe beschlagnahmt, um die eigenen gelichteten Reihen wieder aufzufüllen, daß jede Werft sicher lange prüfen würde, ob sich die Reparatur eines so zerschossenen Schiffes wie der
Benbow
überhaupt lohnte.
    Keen dachte an Bolitho, den er mehr als jeden anderen Menschen verehrte. Er hatte unter ihm schon als Midshipman und Leutnant gedient und war schließlich sein Flaggoffizier geworden. Es freute ihn, daß Bolitho endlich wieder Gelegenheit hatte, mit seiner geliebten Lady Catherine zusammen zu sein. Er fürchtete sich vor Vergleichen, und doch wünschte er Gleiches für sich. Bolithos offen bekannte Leidenschaft verstanden die einfachen Leute überall im Lande, nur die Londoner feine Gesellschaft
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